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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 11/12
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Hofmann, Albert: Das Kunstgewerbe Indiens, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0078

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und Kaschmir sind berühmt wegen ihrer Seidenwebereien.
Im Deccan ist es Aurungabad, in der Provinz Burmah
die Stadt Burmah selbst und Pegu, in Bombay Tanna,
in Kattywar porbandar :c., welche eine vielgesuchte Seide
fabriziren. Trotz der reichen heimischen Fabrikation importiren
aber dennoch Europa, Thina, Tibet und das übrige
Zentralasien große Mengen Seidengewebe nach Indien.

Sind die Seidengewebe den Kincobs gegenüber schlicht,
so tritt ein etwas größerer Reichthum der Erscheinung bei
den halbseidenen Geweben ein. Diese, vorzüglich in Dacca
in Bengalen, in Maldah, in Lahors, Tanjore, Surat, in
Bombay, in Bhangulpore ic. fabrizirt, zeichnen sich durch
eine größere Mannigfaltigkeit in den reinseidenen Geweben
aus, wenn auch die palbseide nicht die glatten Unistoffe
verschmäht.

Indischer Seidenteppich, im Besitze des Fürsten Joh. Liechtenstein in Wien.


Ein in Indien zu Ueberwürfen für Männer und Frauen
sehr verbreitetes Gewebe ist das Musselin, ein lockeres,
transparentes Bauinwollgewebe, das seinen Namen nach der
Stadt Mosul am Tigris bei den Ruinen von Niniveh führt.
Mosul war früher der Pauptort für die Fabrikation des
Musselins, in Indien Dacca, Kurnool, Arnee in der Provinz
Madras und pydsrabad im Deccan. Decca liefert die
feinsten Erzeugnisse, von dent einfachsten Gewebe ohne jede
Unterbrechung, bis zu dem reizenden, spitzenartigen, gestickten
Erzeugnisse, Lhikankari genannt. Die Grnamentation ist
vorzüglich weiß in weiß, selten unterbrechen farbige Pünktchen
die weiße Fläche. Farbige Musseline liefert Kurnool, gestreifte
Pyderabad. Erhöhte Kostbarkeit erhalten die Musseline durch
die wunderbaren Stickereien, welche in Dacca geübt werden. Für
die Musselinfabrikation in Dacca war der pof von Delhi maß-
gebend: Die Fabrikation steigt und fällt mit dem Steigen
und Fallen der Macht und des Glanzes des pofes.

Auf sehr hoher Stufe steht die indische Stickerei; sie
wird nicht als Pandel, sondern als Kunst betrieben und ist
daher auch nicht sehr verbreitet. Die eingeborenen Damen
von Assam sticken vollendet. Dacca und Delhi sind die
bekanntesten <Drte für Stickereien. ,,Von Dacca kommen
die feinsten und besten Stickereien in Gold und Seide und
jene gestickten palbtücher und feinen Musseline, welche man
in Frankreich sieht." So schreibt der Abbe de Guyon s77ch
In der indischen Mollenweberei kann man drei Unter-
scheidungen treffen: Gewebe aus Schafwolle, aus der Molle
der thibetanischen Ziege und aus der Molle der gewöhnlichen
Ziegenhaare und dem Kameelhaare. Die kostbarsten Ge-

webe sind die aus dem paare der thibetanischen Ziege; die
Molle wird pasbmina genannt. Aus ihren feinsten Arten
werden dieKaschmir-Shawls gewoben, auch jene derKaschmir-
Tolonien in Nurpur, Anwitsar rc. Doch können diese nur
eine zweite Qualität Molle aus den Distrikten Thangthan
und Rodok erhalten, da die Maharajahs von Kaschmir
das strengste Monopol auf alle die feinste Molle halten,
welche aus den Grenzdistrikten von Turfan und Kuchar
kommt.

Kein anderes textiles Produkt aber herrscht in Indien so
wie die Baun, wolle; sie bildet im Lande einen Artikel
des Massenverbrauchs. Die dekorative Behandlung der
Baumwollstoffe ist ihres geringen werthes wegen die ein-
fachste und anspruchsloseste. Durch Meberei wird eine gute
Wirkung erzielt, wenn lebhafte Farben streifenartig neben-
einander gesetzt werden. Trotz der Ungebrochenheit der
Farben ergiebt sich aber doch eine im orientalischen Sinne
harmonische Gesammtwirkung. Reicheren Schmuck erhalten
die schlichten Bauinwollgewebe durch den Druck. Der
colossale Massenverbrauch in Indien hat auch eine euro-
päische Einfuhr veranlaßt. England und polland erzeugen
gelungene Imitationen einheimischer, indischer Gewebe.
Doch auch die indische Industrie der bedruckten Baun,wolle,
print, ist eine sehr beträchtliche: Kein pandwerk ist ver-
breiteter als das des Webers, welcher oft zufrieden ist, wenn
er nur in der freien Luft arbeiten kann, selbst in der schnei-
denden Kälte eines winters im punjab. Die nieisten der
von den Frauen getragenen vstemeuts ck'intirnites, als
paejarnas und Leibchen, sind aus streifig gewebten Fabrikaten,
unter den Namen Susi, Rbss rc. bekannt. Es gibt kauin
eine Stadt oder ein Dorf, welche sich nicht mit dem Be-
drucken der Baumwolle befassen. Allenthalben werden
Druckstoffe erzeugt, welche in Bezug auf Feinheit und Ge-
nauigkeit mit den hochentwickelten persischen Druckstoffen
wetteifern. Der persische Einfluß indessen ist nicht zu leug-
nen, besonders im punjab. In der entlegenen Präsident-
schaft Madras machen die Nachkonnnen persischer Aus-
wanderer gedruckte Kattune in Textur und Vrnament ge-
nau wie jene in Teheran in Persien. Das Druckornament
ist das vegetabilische der gewebten ornainentirten Stoffe.

Gegenwärtig wird die Kattundruckerei in bedeutendem
Umfang über ganz Indien geübt und jede Provinz hat ihre
eigenen Spezialitäten und besonderen Tentren. Die schönsten
Drucke des westlichen Theiles von Indien sind jene von Sind.
In der Präsidentschaft Bombay werden Kaltundrucke in
den Gujaratbis mehr als in irgend einem anderen Stanime
gebraucht. Palangpos oder Mattdecken, Saris oder Frauen-
schärpen, Dhotis oder Lendentücher, Rumais oder Pandtücher,
jajarns oder Bodentücher, Odhanis oder Shawls (Schulter-
tücher), Ghagros oder Unterräcke und Rajais oder Stoffe für
Decken sind die Pauptartikel Die Model, obgleich zahllos,
haben einige gemeinsame Punkte, welche, gleich dem „Ur-
sprung der Arten" des Naturforschers, uns die religiöse
oder natürliche Abstammung jeder Zeichnung lehren, welche
in systematischer Meise in verschiedenen Abtheilungen und
Unterabtheilungen gruppirt werden kann. Der indische
Drucker hat eine wunderbare Empflndung für Farben-
kombination. Die schönen Kattundrucke von Masulipatam
werden noch in weitestem Umfange nach Persien reportirt,
wo sie hoch geschätzt werden. „Es ist Thatsache, daß die

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