Bd. VII.
Blätter für Gemäldekunde
Seite 35
Pacheco malte Velazquez 1623 das erste
Bildnis des Königs Philipp des IV. Damit
wird ungefähr die Reife des Künstlers
eingeleitet. Ein Jahr vorher, es war im
April 1622 hatte sich der Künstler von
seiner Vaterstadt Sevilla nach Madrid be-
geben. Anfangs war ejne Annäherung an
den Hof, die gesucht wurde, nicht möglich,
und Velazquez mußte sich mit der Besich-
tigung der königlichen Schlösser und des
Escurial begnügen.1) Er dürfte, was bisher
nicht beachtet zu werden brauchte, die
Nachrichten von den Ereignissen mit Auf-
merksamkeit verfolgt haben, die sich an
die feierliche pompöse Benediktion und
Kanonisation des San Isidro Labrador
1619 und 1622 knüpften.2) Die Kanoni-
sation dieses Heiligen dürfte auch Anlaß
dazu gegeben haben, ein Andachtsbild mit
einem Sankt Isidor zu malen. Möglicher
Weise hat der einflußreiche Förderer des
jungen Velazquez, der Kanonikus J. de Fon-
seca dazu den Anstoß gegeben.3 *) Ein
solches Isidor bild von der Hand des
Velazquez, das nach seinem Stil genau
in die Zeit um 1622 paßt, hat sich er-
halten. Es ist vermutlich lange Zeit in
spanischem Privatbesitz verblieben. Nach-
weisbar ist es erst beim Velazquezsammler
Louis Philippe von Orleans (dieser lebte
1773—1850), der es aus einer Madrider
Privatsammlung erworben hatte. Louis
Philippes Sammlung wurde bekanntlich
1853 durch Christie in London feilgeboten
und größtenteils verkauft. Bei Charles B.
Curtis1) ist das Bild als Werk des Velaz-
quez in folgender Weise erwähnt: „17 c
Louis Philippe sale, 1853, Nr. 490 (288)
St. Isidore, the laborer. From a private
collection in Madrid. 87\73, „L. 15, 10
S.5) Unter den weiteren Besitzern sind
*) Beruete-Loga, S. 23.
2) Hiezu „Acta Sanctorum“ Mai Bd. III (1680)
S. 512 ff. und 546 ff.
s) Über Fonseca und Velazquez Justi, 2. Auf-
lage, I. S. 125 ff.
■•) Velazquez and Murillo, a descriptive and
historical catalogue.“ (London 1883, S. 11).
s) Über die Versteigerung Louis Philippe, vergl.
auch Redford „Art Sales“ (I. S. 146 f.), wo übri-
gens kein vollständiges Verzeichnis der Bilder ge-
mir nur Mr. Perax mittelbar und Herr
Oberstabsarzt Dr. G u stav Weil un-
mittelbar, bekannt geworden. Herr Dr.
Weil, eine Zeitlang in Prag tätig, gegen-
wärtig Sanitätschef in Ragusa, ist seit eini-
gen Jahren im Besitz des interessanten
und wertvollen Bildes.
Ein lückenloser Nachweis der Herkunft
ist, wie bei so vielen anderen Bildern auch,
in diesem Fall nicht zu erzielen. Doch lege
ich ohnedies auf diesen Nachweis weniger
Wert, als auf die genaue Prüfung des
Bildes selbst, das bei guter Erhaltung sehr
wohl die Annahme zuläßt, daß es um
1622 gemalt ist, und dessen stilkritische
Untersuchung auf die Frühzeit des Velaz-
quez zwingend hinweist. Sehen wir einmal
zu. Daß es sich um einen „tenebrosen“
Spanier handelt, ist bald herausgefunden.
Auch die Namen Velazquez und Zurbaran
sind bald als diejenigen erkannt, bei denen
hier zu suchen ist. Nun lassen sich eine
Menge Züge an dem Bilde nachweisen,
die es mit den frühen Werken des Velaz-
quez verbinden, sie werden sogleich namhaft
gemacht — wogegen eine Trennung von
Zurbaran sich schon dadurch ergibt, daß die
Gewandfalten auf dem Bilde viel zu sorglos,
zu wenig akademisch, sogar zu ungeschickt
behandelt sind, um dem aufmerksam sauber
modellierenden Zubaran angehören zu
können. Bei Velazquez kommt mehr das
zufällig Erschaute zur Wiedergabe, wie
denn überhaupt der Faltenwurf niemals die
starke Seite der Kunst des Velazquez ge-
wesen. Man vergleiche nun die Falten am
Ärmel des heiligen Isidor mit denen auf
mehreren Bodegenosbildern, besonders mit
denen auf den Bildern in Sankt Peters-
burg und Budapest.
Aber auch die Stirnfalten des heiligen
Isidor sind nicht meisterhaft. Sie deuten
ein wenig auf eine Zeit hin, in der Ve-
lazquez noch nicht seine volle Reife er-
rungen hat und bilden wieder stilistische
Verbindungsbrücken mit den Stirnfalten
auf den eben genannten Frühwerken und
geben wird. — Die Geschäftsaufschreibungen bei
Christie bestätigen die Angaben im Werk von De
Curtis,
Blätter für Gemäldekunde
Seite 35
Pacheco malte Velazquez 1623 das erste
Bildnis des Königs Philipp des IV. Damit
wird ungefähr die Reife des Künstlers
eingeleitet. Ein Jahr vorher, es war im
April 1622 hatte sich der Künstler von
seiner Vaterstadt Sevilla nach Madrid be-
geben. Anfangs war ejne Annäherung an
den Hof, die gesucht wurde, nicht möglich,
und Velazquez mußte sich mit der Besich-
tigung der königlichen Schlösser und des
Escurial begnügen.1) Er dürfte, was bisher
nicht beachtet zu werden brauchte, die
Nachrichten von den Ereignissen mit Auf-
merksamkeit verfolgt haben, die sich an
die feierliche pompöse Benediktion und
Kanonisation des San Isidro Labrador
1619 und 1622 knüpften.2) Die Kanoni-
sation dieses Heiligen dürfte auch Anlaß
dazu gegeben haben, ein Andachtsbild mit
einem Sankt Isidor zu malen. Möglicher
Weise hat der einflußreiche Förderer des
jungen Velazquez, der Kanonikus J. de Fon-
seca dazu den Anstoß gegeben.3 *) Ein
solches Isidor bild von der Hand des
Velazquez, das nach seinem Stil genau
in die Zeit um 1622 paßt, hat sich er-
halten. Es ist vermutlich lange Zeit in
spanischem Privatbesitz verblieben. Nach-
weisbar ist es erst beim Velazquezsammler
Louis Philippe von Orleans (dieser lebte
1773—1850), der es aus einer Madrider
Privatsammlung erworben hatte. Louis
Philippes Sammlung wurde bekanntlich
1853 durch Christie in London feilgeboten
und größtenteils verkauft. Bei Charles B.
Curtis1) ist das Bild als Werk des Velaz-
quez in folgender Weise erwähnt: „17 c
Louis Philippe sale, 1853, Nr. 490 (288)
St. Isidore, the laborer. From a private
collection in Madrid. 87\73, „L. 15, 10
S.5) Unter den weiteren Besitzern sind
*) Beruete-Loga, S. 23.
2) Hiezu „Acta Sanctorum“ Mai Bd. III (1680)
S. 512 ff. und 546 ff.
s) Über Fonseca und Velazquez Justi, 2. Auf-
lage, I. S. 125 ff.
■•) Velazquez and Murillo, a descriptive and
historical catalogue.“ (London 1883, S. 11).
s) Über die Versteigerung Louis Philippe, vergl.
auch Redford „Art Sales“ (I. S. 146 f.), wo übri-
gens kein vollständiges Verzeichnis der Bilder ge-
mir nur Mr. Perax mittelbar und Herr
Oberstabsarzt Dr. G u stav Weil un-
mittelbar, bekannt geworden. Herr Dr.
Weil, eine Zeitlang in Prag tätig, gegen-
wärtig Sanitätschef in Ragusa, ist seit eini-
gen Jahren im Besitz des interessanten
und wertvollen Bildes.
Ein lückenloser Nachweis der Herkunft
ist, wie bei so vielen anderen Bildern auch,
in diesem Fall nicht zu erzielen. Doch lege
ich ohnedies auf diesen Nachweis weniger
Wert, als auf die genaue Prüfung des
Bildes selbst, das bei guter Erhaltung sehr
wohl die Annahme zuläßt, daß es um
1622 gemalt ist, und dessen stilkritische
Untersuchung auf die Frühzeit des Velaz-
quez zwingend hinweist. Sehen wir einmal
zu. Daß es sich um einen „tenebrosen“
Spanier handelt, ist bald herausgefunden.
Auch die Namen Velazquez und Zurbaran
sind bald als diejenigen erkannt, bei denen
hier zu suchen ist. Nun lassen sich eine
Menge Züge an dem Bilde nachweisen,
die es mit den frühen Werken des Velaz-
quez verbinden, sie werden sogleich namhaft
gemacht — wogegen eine Trennung von
Zurbaran sich schon dadurch ergibt, daß die
Gewandfalten auf dem Bilde viel zu sorglos,
zu wenig akademisch, sogar zu ungeschickt
behandelt sind, um dem aufmerksam sauber
modellierenden Zubaran angehören zu
können. Bei Velazquez kommt mehr das
zufällig Erschaute zur Wiedergabe, wie
denn überhaupt der Faltenwurf niemals die
starke Seite der Kunst des Velazquez ge-
wesen. Man vergleiche nun die Falten am
Ärmel des heiligen Isidor mit denen auf
mehreren Bodegenosbildern, besonders mit
denen auf den Bildern in Sankt Peters-
burg und Budapest.
Aber auch die Stirnfalten des heiligen
Isidor sind nicht meisterhaft. Sie deuten
ein wenig auf eine Zeit hin, in der Ve-
lazquez noch nicht seine volle Reife er-
rungen hat und bilden wieder stilistische
Verbindungsbrücken mit den Stirnfalten
auf den eben genannten Frühwerken und
geben wird. — Die Geschäftsaufschreibungen bei
Christie bestätigen die Angaben im Werk von De
Curtis,