BLÄTTER
FÜR
GEMÄLDEKUNDE
Verlag von HERAUSGEGEBEN Adresse des Herausgebers:
FRANZ MALOTA, WIEN von WIENER-NEUDORF Nr. 21,
IV. Hauptstraße 22 DR* TTFL V. FRUV13VIEL Heydnerhaus.
VII. BAND MAI UND JUNI 1912 HEFT VIII
AUS DER SAMMLUNG BARON
DORMUS IN LEMBERG.
Bis zu einem gewissen Grade verkannt,
hat sich im Besitz des Herrn Barons Leo
Dormus in Lemberg ein mannigfach zu-
sammengesetzter und vielfach anregender
Gemäldebesitz erhalten, den ich im Früh-
ling dieses Jahres kennen gelernt habe.
Die Bilder bei Herrn Baron Dormus stam-
men aus dem Besitz des Lemberger Standes-
rates Jos. Kilian, der mütterlicherseits Groß-
vater des gegenwärtigen Besitzers war, 1773
geboren und 1846 gestorben ist. 1850 wurde
ein Verzeichnis angelegt, das 96 Bilder auf-
zählt und benennt. Rund 30 Gemälde aus
dem Kilian’schen Besitze befinden sich heute
nach einer Verteilung des ganzen Bilderbe-
standes beim Enkel, Herrn Baron Dormus.
Die Benennungen im knapp gehaltenen In-
ventar von 1850 sind in Bezug auf die Bilder
in Lemberg zumeist vergriffen und wer-
den auch in der Sammlung nicht mehr
aufrecht erhalten. Sie sind zum Teil zu
niedrig gewählt, zum Teil durch verlesene
Signaturen und sonstige Mißverständnisse
bedingt. So war denn ein Feld für kritische
Arbeit geboten, auf dem nach gründlicher
Untersuchung der Bilder selbst und wochen-
langem vergleichenden Studien an der Hand
von Photographien eine bemerkenswerte
Ernte an neuen begründeten Benennungen
abgehalten werden konnte. Auf ein Bild
aus der Familie der französischen Maler
Dumonstier wurde schon im 7. Heft
dieser Blätter hingewiesen. Die Benennung
sei im Folgenden begründet unter Beigabe
einer Abbildung.
Es handelt sich um eine Darstellung
mit mehreren Figuren und um ein Sitten-
bild, also bei den Dumonstiers um eine
außerordentliche Seltenheit. Ich kenne drei
Bilder dieser Art. Zwei befanden sich vor
etwa 15 bis 20 Jahren unerkannt und als
Rätsel betrachtet in den Wiener privaten
Sammlungen S. und S. Die angedeuteten
Sammler sind längst tot. Das dritte ist
das Sittenbild bei Dormus. Die stilistische
Familienzusammengehö igfceit dieser drei
Bilder steht für mich völlig fest und
dürfte auch allgemein anerkannt werden,
wenn es mir gelingen sollte, die Abbil-
dungen der zwei anderen Werke beizu-
stellen. Ihre Benennung wird übrigens erst
möglich durch das Heranziehen des Bildes
in Lemberg, auf dem ein alter Vermerk,
wohl gar eine alte Signatur so viel er-
kennen läßt, als es nötig ist, die Benen-
nung : Dumonstier nahezu zweifellos zu
machen. Auf dem einen der Wiener Bilder
befand sich eine halb verriebene Bezeich-
nung, in der ein großes M und darin ein
O sicher zu entziffern waren. Dann ein
fragliches n. Auf diese Buchstabenver-
bindung folgte etwas Unleserliches, das sich
als „stier F“ recht wohl deuten läßt, wenn
man einmal auf den Namen Dumonstier
gekommen ist. Das Gemälde in Lern-
FÜR
GEMÄLDEKUNDE
Verlag von HERAUSGEGEBEN Adresse des Herausgebers:
FRANZ MALOTA, WIEN von WIENER-NEUDORF Nr. 21,
IV. Hauptstraße 22 DR* TTFL V. FRUV13VIEL Heydnerhaus.
VII. BAND MAI UND JUNI 1912 HEFT VIII
AUS DER SAMMLUNG BARON
DORMUS IN LEMBERG.
Bis zu einem gewissen Grade verkannt,
hat sich im Besitz des Herrn Barons Leo
Dormus in Lemberg ein mannigfach zu-
sammengesetzter und vielfach anregender
Gemäldebesitz erhalten, den ich im Früh-
ling dieses Jahres kennen gelernt habe.
Die Bilder bei Herrn Baron Dormus stam-
men aus dem Besitz des Lemberger Standes-
rates Jos. Kilian, der mütterlicherseits Groß-
vater des gegenwärtigen Besitzers war, 1773
geboren und 1846 gestorben ist. 1850 wurde
ein Verzeichnis angelegt, das 96 Bilder auf-
zählt und benennt. Rund 30 Gemälde aus
dem Kilian’schen Besitze befinden sich heute
nach einer Verteilung des ganzen Bilderbe-
standes beim Enkel, Herrn Baron Dormus.
Die Benennungen im knapp gehaltenen In-
ventar von 1850 sind in Bezug auf die Bilder
in Lemberg zumeist vergriffen und wer-
den auch in der Sammlung nicht mehr
aufrecht erhalten. Sie sind zum Teil zu
niedrig gewählt, zum Teil durch verlesene
Signaturen und sonstige Mißverständnisse
bedingt. So war denn ein Feld für kritische
Arbeit geboten, auf dem nach gründlicher
Untersuchung der Bilder selbst und wochen-
langem vergleichenden Studien an der Hand
von Photographien eine bemerkenswerte
Ernte an neuen begründeten Benennungen
abgehalten werden konnte. Auf ein Bild
aus der Familie der französischen Maler
Dumonstier wurde schon im 7. Heft
dieser Blätter hingewiesen. Die Benennung
sei im Folgenden begründet unter Beigabe
einer Abbildung.
Es handelt sich um eine Darstellung
mit mehreren Figuren und um ein Sitten-
bild, also bei den Dumonstiers um eine
außerordentliche Seltenheit. Ich kenne drei
Bilder dieser Art. Zwei befanden sich vor
etwa 15 bis 20 Jahren unerkannt und als
Rätsel betrachtet in den Wiener privaten
Sammlungen S. und S. Die angedeuteten
Sammler sind längst tot. Das dritte ist
das Sittenbild bei Dormus. Die stilistische
Familienzusammengehö igfceit dieser drei
Bilder steht für mich völlig fest und
dürfte auch allgemein anerkannt werden,
wenn es mir gelingen sollte, die Abbil-
dungen der zwei anderen Werke beizu-
stellen. Ihre Benennung wird übrigens erst
möglich durch das Heranziehen des Bildes
in Lemberg, auf dem ein alter Vermerk,
wohl gar eine alte Signatur so viel er-
kennen läßt, als es nötig ist, die Benen-
nung : Dumonstier nahezu zweifellos zu
machen. Auf dem einen der Wiener Bilder
befand sich eine halb verriebene Bezeich-
nung, in der ein großes M und darin ein
O sicher zu entziffern waren. Dann ein
fragliches n. Auf diese Buchstabenver-
bindung folgte etwas Unleserliches, das sich
als „stier F“ recht wohl deuten läßt, wenn
man einmal auf den Namen Dumonstier
gekommen ist. Das Gemälde in Lern-