Bd. VII.
Blätter für Gemäldekunde
Seite 73
kennbare Schwester der auffallenden Liege-
figuren in den Osmitzbildern. Der kurz-
nasige Panisk, der die Klarinette bläst,
auf dem Basan’schen Blatt nach Raoux’s:
Panisk und Bacchantin gehört nach der
Erinnerungsvergleichung auch hieher, in-
dem er eines der Modelle zu wiederholen
scheint, die auf den Osmitzbildern vor-
kommen.
In den Kreis der neu aufgefundenen
Bilder gehört auch die Schmückung der
Priapherme, ein Bild, das durch Beauvarlet
gestochen worden ist und sich bis 1772
beim Duc de Choiseul, später in der
Sammlung Conti befunden (hat nach Char-
les Blanc-Tresor de la Curiosite).
Das Gefältel der Seidenstoffe, die auf
den Osmitzbildern dargestellt sind, kehrt
mit seinen knitterigen Falten, mit den lang
und schmal eingeschlagenen Rändern oft
genug wieder auf authentischen Arbeiten
des Raoux, der ja bei d’Argensville als
einer der geschicktesten Atlasmaler be-
zeichnet wird. Derlei Gefältel findet sich
öfter auf seinen Sittenbildern, deren genug
bekannt sind, z. B. auf dem mit einem
eifersüchtigen Alten („Le Vieillard sur-
veillant“), ferner auf dem „Rendezvous
agreable“, nicht zuletzt auf dem präch-
tigen Bild mit den zwei Mädchen im
Musikzimmer. Dieses Gemälde ist von
Beauvarlet im Ganzen gestochen, und die
zwei Mädchen daraus sind durch Marin
1775 in Farbenstich wiedergegeben. Meh-
rere der Raoux’schen Bilder mit Vesta-
linnen* zeigen dieselbe Faltenbehandlung,
so die Halbfigur auf den Stich von Martin
Frey**, so die Figuren auf dem Vestalinnen-
* Eines befindet sich auch in Braunschweig.
** Nebstbei bemerkt, befand sich diese Vestalin
ehedem im Besitz der gräflichen Familie Truch-
sess Zeyl und Wurzach. Die Galerie jener
Familie ist im I. Band der Blätter für Gemälde-
kunde besprochen worden. Das Raoux’sche Bild
ist mit dem Titel „La Vestale“ mit folgendem
Vermerk gestochen: „grave d’apres le tableau
original de Jean Raoux, qui se trouve dans la
galerie du Chateau de Wourzach en Suabe, large
3 p. h. 2 p. 5 p. Dedie ä S. E. Madame la
Comtesse regnante de Trouchses Zeyl et Wourzach
et nee Comtesse Fougger de Glött et par son tres
humble et tres obeissant serviteur Martin Frey“.
bild, das 1784 von P. H. Jonxis gestochen
wurde, so auch die (von den angeführten
Bildern verschiedene) Halbfigur in der
Galerie zu Montpellier (besprochen bei
Clement de Ris, abgebildet bei L. Gonse).
Endlich kann ich noch auf Betsaba im
Bade hinweisen, ein Bild, das mir durch
den Stich von Chereau bekannt ist.
Die Landschaft mit den rebenumschlun-
genen Bäumen nahe dem Vordergrund
und dem ziemlich kräftig behandelten
Baumlaub findet Analogien auf dem Stich
von N. de Launay (Medor und Agelica),
auf dem Bild im Louvre (Telemach, seine
Abenteuer erzählend)* und auf dem Bild
mit der Tänerin in Tours.
Nachträglich sei bemerkt, daß Raoux
in der kunstgeschichtlichen, wohl auch
künstlerischen Wertschätzung heute denn
doch etwas zu kurz kommt. Zu seiner
Zeit, wenngleich nicht ohne Feinde, un-
gemein geschätzt und bezahlt,** erhält er
heute kaum einige Worte in den Hand-
büchern, die sich mit Geschichte der Ma-
lerei abgeben. Die Lexika behandeln ihn
seit lange Stiefmütter ich. Sogar bei Bellier
de la Chavignerie und denen, die sein
Lexikon ausgeschrieben haben, ist nicht
allzuviel über ihn zu finden. Ur.d doch
war seine Hand geübt und sicher, wie die
irgend eines Meisters seiner Zeit. Auch
möge man nicht vergessen, daß schon bei
ihm jene französischen Leserinnen, jene
neckischen Mädchen beim Spiegel, oder
mit dem Vogelbauer vorkommen, die
später von anderen so sehr ausgenützt
wurden. Raoux’ Vielseitigkeit ist kaum
genügend bekannt. Er malte nicht nur
Schauspielerinnen und Tänzerinnen, nicht
nur Sittenbilder moderner Erfindung, my-
thologische und „historische“ Bilder, son-
dern auch ernste Porträte, wie das des
Bischofs von Senez J. Soanen und das
* Dieses Bild befand sich zur Zeit, als es durch
Beauvarlet gestochen wurde, in St, Clou d. So ist
es auf dem Stich vermerkt.
** Nach Füssli’s Lexikon wären für Raoux’s
Bilder 800 bis 5399 Livres bezahlt worden.
Abfällig über den Künstler äußert sich Mariette
im Abecedario (Vergl. „Archives de l'Art Fran-
cis“ Bd. VIII).
Blätter für Gemäldekunde
Seite 73
kennbare Schwester der auffallenden Liege-
figuren in den Osmitzbildern. Der kurz-
nasige Panisk, der die Klarinette bläst,
auf dem Basan’schen Blatt nach Raoux’s:
Panisk und Bacchantin gehört nach der
Erinnerungsvergleichung auch hieher, in-
dem er eines der Modelle zu wiederholen
scheint, die auf den Osmitzbildern vor-
kommen.
In den Kreis der neu aufgefundenen
Bilder gehört auch die Schmückung der
Priapherme, ein Bild, das durch Beauvarlet
gestochen worden ist und sich bis 1772
beim Duc de Choiseul, später in der
Sammlung Conti befunden (hat nach Char-
les Blanc-Tresor de la Curiosite).
Das Gefältel der Seidenstoffe, die auf
den Osmitzbildern dargestellt sind, kehrt
mit seinen knitterigen Falten, mit den lang
und schmal eingeschlagenen Rändern oft
genug wieder auf authentischen Arbeiten
des Raoux, der ja bei d’Argensville als
einer der geschicktesten Atlasmaler be-
zeichnet wird. Derlei Gefältel findet sich
öfter auf seinen Sittenbildern, deren genug
bekannt sind, z. B. auf dem mit einem
eifersüchtigen Alten („Le Vieillard sur-
veillant“), ferner auf dem „Rendezvous
agreable“, nicht zuletzt auf dem präch-
tigen Bild mit den zwei Mädchen im
Musikzimmer. Dieses Gemälde ist von
Beauvarlet im Ganzen gestochen, und die
zwei Mädchen daraus sind durch Marin
1775 in Farbenstich wiedergegeben. Meh-
rere der Raoux’schen Bilder mit Vesta-
linnen* zeigen dieselbe Faltenbehandlung,
so die Halbfigur auf den Stich von Martin
Frey**, so die Figuren auf dem Vestalinnen-
* Eines befindet sich auch in Braunschweig.
** Nebstbei bemerkt, befand sich diese Vestalin
ehedem im Besitz der gräflichen Familie Truch-
sess Zeyl und Wurzach. Die Galerie jener
Familie ist im I. Band der Blätter für Gemälde-
kunde besprochen worden. Das Raoux’sche Bild
ist mit dem Titel „La Vestale“ mit folgendem
Vermerk gestochen: „grave d’apres le tableau
original de Jean Raoux, qui se trouve dans la
galerie du Chateau de Wourzach en Suabe, large
3 p. h. 2 p. 5 p. Dedie ä S. E. Madame la
Comtesse regnante de Trouchses Zeyl et Wourzach
et nee Comtesse Fougger de Glött et par son tres
humble et tres obeissant serviteur Martin Frey“.
bild, das 1784 von P. H. Jonxis gestochen
wurde, so auch die (von den angeführten
Bildern verschiedene) Halbfigur in der
Galerie zu Montpellier (besprochen bei
Clement de Ris, abgebildet bei L. Gonse).
Endlich kann ich noch auf Betsaba im
Bade hinweisen, ein Bild, das mir durch
den Stich von Chereau bekannt ist.
Die Landschaft mit den rebenumschlun-
genen Bäumen nahe dem Vordergrund
und dem ziemlich kräftig behandelten
Baumlaub findet Analogien auf dem Stich
von N. de Launay (Medor und Agelica),
auf dem Bild im Louvre (Telemach, seine
Abenteuer erzählend)* und auf dem Bild
mit der Tänerin in Tours.
Nachträglich sei bemerkt, daß Raoux
in der kunstgeschichtlichen, wohl auch
künstlerischen Wertschätzung heute denn
doch etwas zu kurz kommt. Zu seiner
Zeit, wenngleich nicht ohne Feinde, un-
gemein geschätzt und bezahlt,** erhält er
heute kaum einige Worte in den Hand-
büchern, die sich mit Geschichte der Ma-
lerei abgeben. Die Lexika behandeln ihn
seit lange Stiefmütter ich. Sogar bei Bellier
de la Chavignerie und denen, die sein
Lexikon ausgeschrieben haben, ist nicht
allzuviel über ihn zu finden. Ur.d doch
war seine Hand geübt und sicher, wie die
irgend eines Meisters seiner Zeit. Auch
möge man nicht vergessen, daß schon bei
ihm jene französischen Leserinnen, jene
neckischen Mädchen beim Spiegel, oder
mit dem Vogelbauer vorkommen, die
später von anderen so sehr ausgenützt
wurden. Raoux’ Vielseitigkeit ist kaum
genügend bekannt. Er malte nicht nur
Schauspielerinnen und Tänzerinnen, nicht
nur Sittenbilder moderner Erfindung, my-
thologische und „historische“ Bilder, son-
dern auch ernste Porträte, wie das des
Bischofs von Senez J. Soanen und das
* Dieses Bild befand sich zur Zeit, als es durch
Beauvarlet gestochen wurde, in St, Clou d. So ist
es auf dem Stich vermerkt.
** Nach Füssli’s Lexikon wären für Raoux’s
Bilder 800 bis 5399 Livres bezahlt worden.
Abfällig über den Künstler äußert sich Mariette
im Abecedario (Vergl. „Archives de l'Art Fran-
cis“ Bd. VIII).