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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0072

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dieser Tracht iliro Suppen und Saucen gekocht hälfe1? Allenfalls
zu Fliegenwedeln wären diese Puinpärincl bei der Tafel zu brau-
chen. Aber wir sind nicht im Orient. Kurz, durch diese Mode
wird ein sirenges Aufwandsgesetz, eine genauere Rangordnung
festgesetzt als das von Basel und Augsburg, hier ist eine uuüber-
steigliche Scheidewand gefunden." —• So ungefähr der britische
Modenprofessor.

Der deutsche schüttelt ungläubig den Kopf zu dieser scharf-
sinnigen Kathederweisheit. Er nimmt das ihm eben vorliegende
Modenbild ans der Wiener Zeilschrift. Es ist das letzte (Nr 52.)
im vorigen Jahrgang 1829. Diese rosenfarbene Dame in Gaze-
Iris läfst ja neben den zierlich aufgedunsenen Aerineln en trans-
parent — und siehe, da spielt der Arm auch nur ein verrätlier-
isches Verstecken — die zierlichste knappste Taille von der'Welt
spielen, und der Antiquar inufs zu seiner Beschämung eingestehen,
dafs dieses enge Zusammenpressen des weiblichen Körpers unter
der Brust auch schon bei den alten Griechinnen und Römerinnen
für ein wesentliches Eifordernifs der Schönheitspflege gehalten wor-
den sei. Was unsere elastischen Corsels und Schnürlei beheb jetzt
sind, waren damals die breiten ßnsenbäuder, Slrophien genannt,
und die breiten Gürtel *) über den Hüften. Damit man mich hier
keines Verrathes und keiner Verunglimpfung des Allertlmms be-
züchtige, erinnere ich nur an jene Stelle des Terenz nach dem
Griechischen des Menander, wo der verliebte Chärca über das
Mädchen, das er auf der Strafse sah, in Entzücken ausbricht:
Ach, sie gleicht nicht unsern Jungfrau']), die der Mutter Sorgfalt quält,
Dafs die Arme sich fein senken und umschnürte Brust den Leib
Schmächtige. Seht nur die Dirne, ruft man, wie sie voll und rund,
Wahrlich diese kann sich boxen! Und nun kommt die Huiigercur!
So verpfuscht die Mutterptlege sie zu Binsen, wo Natur
Reichlich ihre Fülle spendet").

Bedarf es also wohl noch einer anderen Lösung des Rällisels?
Die Toilette der Frauen hat es dabei auf einen reizenden Gegen-
satz abgesehen.

*) Ueber diese Stropluen s. d. Sabina I. 184, 197. Wie breit dia
Gürtel zuweilen waren, läfst sich aus einem griechischen Sinnge-
dicht des Asklepi ades, Anal. I, 214, 16. schliefsen, wo Het-
inione einen Gürtel trägt, in welchem die Schrift eingestickt stellt:
Goldene Schrift entfalte der Gürtel: „Liebe mich immer,
Aber betrübe dich nicht, wenn mich ein Anderer liebt."
Ausonius 93, 94. hat es in's Lateinische übersetzt. Vergl. Ja-
cob's „Leben und Kunst der Alten". Band II. Th. II. S. 77.

**) Terenz, Eon. II, 3, 22. Ueber das Einschnüren durch Busen-
binden (äs-o5«sy«cf Luciau., D. Meret. XII. p. 312.) s, Bnr-
mann zu Ovid. I. S, 21, und Heinsius zu Ovid. III. A.A. 274.
 
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