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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0076

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der Descriplion de l'Egypte ausgezogen und also in echten Nach-
liildnngen. Daraus sollten unsere Modejournale uns zuweilen zur
Abwechslung und niännigliehen Erliaunng ein Bild inilthcilcii, da-
mit es klar würde, dafs eigentlich alle modernen Fraiieiifraelifcn,
als da sind die abgeschnittenen Hüfleubekleidungen, die wir Frauen-
röckc nennen, (gönne, cotillons, petticoals), die Busen-und Hals-
tücher (l'azzoletti, ficluis, neckclo(hs) , die Bockheber (bredellcs)
und die hntartigen Kopfbekleidiingen ursprünglich vom heiligen
Nillandc abslammen — und zwar, was wohl einer eigenen Unter-
suchung werth wäre, zunächst durch die nach dem ägyptischen
Costume gemodelten Anzüge der ältesten christlichen Monialeu oder
Klosterfrauen , Nonnen (welches selbst ein ägyptisches Wort ist),
in die europäische Welt des Mittelalters eingedrungen sind.

In jenem interessanten Bilderbnche (Pantheon) des Champol-
lion finden unsere Schönen in einer stehenden Figur der Isis (die,
aber hier als ägyptische Alhor oder Venus erscheint) die sonder-
barsten Kopfaufthürmiingen mit einem Schmuck von aufrechtstehen-
den Lotusblumen und einer Perücke, die ans einem ausgebälgten
afrikanischen Perlenhuhn (gallina nnmidica) besieht; auf der 17ten
Kupfeifafel A. im vierten Heft, so wie auf den Kupferlafeln 7
und 14 B. die wahre canonische Urform unserer Frauenhauben auf
Jen Köpfen der Isis ganz leibhaftig zu schauen ist. Gewifs da
wäre für unsere Modisfen und Frauencostumiers eben so sehr als
für die Zunft der Ilaarkräuslerinneu von natürlichen und seide-
nen Locken noch gar Manches zu lernen. Denn was wollen doch
i, B. alle unsere Marabouts- und Federdecorationen auf den zier-
lichsten Frauenhülen sagen gegen einen ganz zur Perücke einge-
richteten Vogelbalg mit seinen Flügeln, Schwanzfedern und völlig
erhaltenem Vogelkupfchcn, welches nur oben von der Stirn herab
gar wunderschön verführerisch hervorguckt und niinniglicb herab-
winkt? Und das ist doch, wie allen Alterthumsforschern längst
bekannt war, die wahre Prachtcoelfüre der ägyptischen Isis, wel-
che die ihr geweibete numidische Henne mit ihren buntfarbigen,
vielgetüpfelten Federn so auf dem Kopf trägt, als hätle eine "Pa-
riser Haarflechterin das Mals dazu', genommen; eine Mode, die
selbst römische Kaiserinnen zuweilen nachgeahmt zu haben schei-
nen. Welcher Fluid für die nach erobernden PrachleHeclen lüster-
nen Haarschmückerinnen an der Seine, Donau und Spree, wenn
6o ein buntgefiederter indianischer Rabe oder gar ein Paradies-
vogel, der ja schon zum Putz mehr als einmal angewandt wurde,
auf die scidenlockigen Köpfchen unserer Modegrazien aufgestülpt
werden könnte! Und was nun gar die Haarkräiisleriuneu und
Haartourbereiterinnen in unaussprechliches Wonnegefühl über die
Neuheil und Zierlichkeit der Mode versetzen mflfste, welche Wirk-
ung müfste eine vollständige Perücke aus Lolosbliilh.cn, wovon
immer ein Kelch, in den anderen gesteckt, eine Fülle von heran-
 
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