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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0244

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von den echten Bacchusbrüderu auf's Strengste befolgt wurden,
dafs der, welcher aus solchen Hörnern sicli die herzerfreuende
Bacchusgabe lierabrinuen liefs, nicht eher absetzte und den Mund
schlofs, als bis das ganze TrinkhÖrnchen (oft vom beträehllich-
steu Umfang) rein ausgelaufen war, nnd daher das griechische
Wort, welches einen herzhaften Schluck bedeutet, zwischen wel-
chem man die Lippen nicht schliefst *). Natürlich führt diefs am
Ende zur Völlerei und Unmäfsigkeit. Darum ereifert sich auch ein
frommer Kirchenvater, der heilige Ambrosius, nicht wenig gegen
diese Sitte, die also noch im vierten Jahrhunderte nach Chr. Geb.
ihre treuen Verehrer gefunden haben inufs. „Da lassen sie", ruft
er in einer seiner Fastenpredigten zürnend aus, „durch ein Horn
den Wein in die Kehlen herabströmen. Setzt Jemand auch nur
einen Augenblick ab, so ist's ein Verbrechen, als hätte ein Soldat
die Fahne verlassen, die Schlachtordnung ist durchbrochen, die
Streiter sind aus dem Felde geschlagen" etc. **). —. Wer weifs,
was wir in Kurzem noch erleben! Die Gräcomanie und Wuth
der Pariser, in allen Punkten der Tafelfreude und des sinnlichsten
Genusses von Speise und Trank alle Gaumenlüste der alten nnd
neueren Zeit zu vereinen, darf mir einen kleinen Anstofs durch
irgend einen antiquarischen Spitzkopf erhalten, und dieselben Lüst-
linge, die vor einigen Jahren statt ihrer Walzer und Gavotten nur
Thiasen (thiasos) tanzten, weil sie erfuhren, dafs die Griechen
ihre rauschenden Taunieltänze bei der Bacchusfeier so ge-
nannt hätten, trinken ihre aus ganz Europa zusammengerufenen
Weine nun auch in Amysten und schlucken aus vollen Hör-
nern den edelsteu Rebensaft, den sie mitten in ihrer rasenden Ge-
nufsjagd, nach den Bemerkungen eines strengen, aber wahrhaften
Siltenmalers ***), jetzt bonteilleuweisc und bis zur äufsersten Be-
rauschung gierig hinabstürzen, Wohl bekomm' es den Schlingern!
Wir lohen uns den kleinen Frcundschaftsbecher der geselligen
Freude, die pocula rorantia, die schon der weise Socralcs als die
Würze eines traulichen Tafelgespräehs empfohlen hat. Erinnern
Sie sich, wenn Sie diefs lesen,

Weimar, im April 1804. Iares

*) "AjU-jffTi; von « und ^u'w, ich schliefse die Lippen. Alles hierher
Gehörige hat Fischer gesammelt in seiner neuesten Ausgabe
des Anacreon, carm. 21. p. 86.
'*) „Per cörnu etiam llnentia in fauces hominum vina decurrunt: et
si quis respirverit, commissum flagitium, soluta acies, loco motus
habetur." de Klia et Jejunio c. 17. p. 64,

***) Napoleon Bonaparlc und das französische Volk (Germania 1804.)
S. 399.

Böttiger,
 
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