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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0358

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346

In den Leistungen unseres Madrasser Poolo feiert die Virtuosität
einen Band elastischer Kraft mit gymnastischer Gewandtheit *).

Bei solchen Schaustellungen fragt der, welcher nicht erst heule
zu lehen anfängt, sondern auch sein Auge auf das zu heften ge-
wohnt ist, was die Menschen vor Jahrhunderten und Jahrtausenden
trieben und in dieser Parallele gleichsam ein doppeltes Lehen lehf,
sehr gern: „wie verhielt sich jene classische Vorwelt, ans der
uns fast allein noch Kunde übrig geblieben ist, zu diesen Kunst-
fertigkeiten und Jonglerieen ? " Wir können bei der unglaublichen
Vielseitigkeit in Ausbildung und Schmeidigung des Körpers und
der daraus folgenden körperlichen Fertigkeiten im Vorans sicher
sagen, dafs nichts so auffallend, ja erstaanenswiirdig uns jetzt
vor's Auge gebracht werden kann, was nicht im Altenlünne schon
da gewesen, ja in jeder Rücksicht noch übertrotfen worden wäre.
Bleiben wir bei einigen der Hauptleistungen unsers Madrasser
Wundermannes stehen und fragen: was sahen die Menschen jener
untergegangeneu Griechen- und Römerwelt in dieser Art?

Dem Auge sich besonders empfehlend und wuuderbar stellt
sich bei ihm die Uebung mit den grofseu Messern da, die, tact-
mäfsig in die Höhe geworfen, in fortgesetzter Schwebiing erhalten
werden. Diefs verstanden die Allen gleichfalls mit vollendeter Fer-
tigkeit darzustellen. Statt mehrerer Beweise beziehe ich mich liier
nur auf eine Hauptstelle des heiligen Clirysoslonius,,in einer Bufs-
und Strafpredigt an die Bewohner der, eine halbe Million Ein-
wohner fassenden und als die vierte Stadt des römischen Welt-
reichs durch ihre Lage im Mittelpunkt asiatischer und hellenisch-
römischer Ucppigkeit berühmten und berüchtigten **) Hauptstadt der
syrischen Provinzen, Antiochiens, indem er ihnen zu GemütU
führt, wie der Menscb sich zu unglaublichen Anstrengungen für

*) Man mufs dabei die uns ganz unbegreifliche Biegsamkeit und na-
türliche Geschmeidigkeit aller Gliedmafsen bei den Hindus in An-
schlag zu bringen nicht vergessen, wovon die älteren, wie die
neuesten Reisebeschreibungen voll sind. So sagt der treffliche
Kenner der Hindus, Orme, in den Historical fragments (London,
1805), p. 463: „Der Hindu ist mit einer Geschmeidigkeit in sei-
nem ganzen Körperbaue begabt, welche ihn zu Verdrehungen und
Stellungen geschickt macht, die jeden Nordländer zu krampfhaf-
tem Erstarren bringen würden. Ks giebt keinen außerordentlicheren
Gaukler in der Welt: There are no more extraordinary tumblers
in the world. Vergl. Meiners, Untersuchungen über
die Verschiedenheit der Menschennaturen, Tu, I.
S. 275.

*y S. das lebendige Gemälde dieser Stadt in Gibbon's History of tha
Decline and the Fall ofthe Roman Empire T.1V. p.144, ed. London in 8.
 
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