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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0463

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Iiabene Naivität in den Episoden *), die rinbeschreibliehc Huld in
den Müttern und Mädchen, die als Zusclianerinnen mehr oder we-
niger an der Haupthandlung Tlieil nehmen und wie Blüthendüfie
und Friihlingsweste diesen holien Ernst der Männer anhauchen
(man sehe hier nur die Blnmenkorblrägcrin nnd die junge Mntler
mit dem Kinde an der Brust, in der Heilung des Lahmen in der
Tempclhalle, sehe die mit Inbrunst zur Anbetung fortgerissene Eti-
sebia, so möchte sie indessen genannt werden, im unterbrochenen
Opferfeste zn Lystra **) nnd vor Allem die Einheit der Alles
durchdringenden Haupthandlung, dafs man das Verblichene und
Mangelhafte der Färbung, welche besonders in den Gemälden
sichtbar wird, gern übersieht nnd sich in dem Vorhandenen doch
nie satt sehen kann. Denn wo vermöchten anch die befsten Do-
rignys nur ein Hunderltbeilchen der deutlichen Ansicht zn gewäh-
ren , die aus unseren den Cartons Iren nnchcopirten Teppichen
selbst hervorgeht] Zwei unter den unseren sind vorzüglich, seihst
in den Farben erhalten , das Opfer zu Lyslra und die Heilung
des Lahmen in der Tempelhalle. Freilich kann die Pracht der
metallischen Fäden, womit z. ß. die spiralförmig gewundenen Säu-
len der Tempelhalle toii Jerusalem, welche auf eine so sonder-
bare Weise hervortreten und die ganze Scene der Heiligung in drei
Abteilungen zerschneiden, in ihrem Laubwerk und ihren Verzier-
ungen auf den römischen Originalleppichen geschmückt sind ***),

*) üeber diese Episoden verdient vorzüglich F e r n o w nachgelesen
zu werden in den Römischen Studien Iii, 194 ff. Viele wollten
es dem Rafael nachthnn, machten aber, wie die Griechen es nann-
ten, das x«f igyov zum fyyov. Bei Rafael steht Alles in der natür-
lichsten Verbindung, man denkt, es müsse so sein.

**) Das ist eine wahre Siofpoqovn'tvv). Statt die flachen Hände be-
tend emporzuhalten (der des Alterthums kundige Meister kannte
die manus siipinas, die Xs,Pav ÜTTTiötr/aaTa vollkommen), hält die
Begeisterte sie vorwärts. Ich weifs wohl, dafs sogar Quatremerc
in seiner Erklärung, Vie de Rafael p. 310., diese Figur für einen
Jüngling erklärt, der mit vorgestreckter Hand das Opfer hindern
wolle. Allein wie käme dieser hier in diese Gruppe?

*#*) Quatremere sagt da, wo er von der bewundernswürdigen Wirkung die-
ser so gewaltig hervortretenden Colonnade spricht (p. 317.), aus-
drücklich: II est du h. fetonnante richesse de ces colonnes torses
cannelees et ornees des rinceaux dores, dont l'art de la tapis-
sonne a produit la richesse et feclat avec une etonnante verite.
Kenner wissen, dafs Rafael, dessen Phantasie alle damals in
Rom beündlichen Alterthümer stets vorschwebten, bei der Entwerf-
ung des Cartons zu dieser Scene eine noch jetzt am Hochaltare
in der Peterskirche befindliche Säule der Art mit allen ihren Wein-
ranken und Gonienspielen vor Augen hatte. Die gemeine Sage

oo ♦
 
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