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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 19.1922/​1923

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Fischer, Theodor: Ein Denkmal christlicher Kunst von Karl Menser
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https://doi.org/10.11588/diglit.55381#0056

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36

EIN DENKMAL CHRISTLICHER KUNST VON K. MENSER


KARL MENSER
Text unten

BEETHOVEN

EIN DENKMAL CHRISTLICHER
KUNST VON KARL MENSER
(Abb. S. 36 —40)
TAer Schöpfer der nicht im Äußeren, aber inner-
lieh gewaltigen Beethoven-Büste, die im Jahre
der hundertsten Wiederkehr von Beethovens Ge-
burtstag seine Vaterstadt Bonn für das Beethoven-
Haus schenkte (Abb. oben)’), ist im Reiche der
Kunst kein Unbekannter. Aber viele, die Karl
Menser kannten, wird es überraschen, daß er, der
fast Fünfzigjährige, in das Gebiet christlicher Kunst
gewandert ist. Die ihn tiefer kannten und vor allem
auch den Menschen, wissen, daß es die notwendige
Fortsetzung einer inneren Entwicklung ist. Und die
den Menschen und den Künstler kannten, waren
ebensowenig erstaunt, daß sich auch da bald die
Reife seiner großen Kunst offenbarte.
Karl Menser ist vor allem Plastiker, er ist Raum-
künstler, Maler. Ein moderner Künstler, wie jeder
Künstler modern ist, der aus dem Innern schöpft,
Eigenes zu sagen hat und das in einer Formen-
sprache tut, die dem innern Gehalt notwendig ist.
So gibt es für ihn eigentlich kein Problem der
Form, seine Schöpfungen waren seelische Pro-
bleme, die er in seinem Innern getragen, die ihn
gequält, deren Lösung er sich errungen, die sich
dann von selbst in die Form gießen, welche ihnen
entspricht und sie selbst wie den Künstler erlöst.

’) Die Photographien zu den Abbildungen sind gefertigt von
H. Groß, Bonn.

Deshalb ist bei ihm alles Seele und alles Form,
jede Linie Leben und jede Lebensregung Gestalt.
Eine treffende Probe dafür gibt die Betrachtung
z. B. eines seiner Reliefs, das mehrere Personen
enthält. Man kann die obere Hälfte mit der Hand
für das Auge verdecken, Gesicht, Hände usw., und
man versteht doch die Darstellung: in dem Linien-
fluß der unteren Hälfte ist das Wesentliche der
Handlung wie der seelischen Haltung ausgedrückt,
so sehr ist alles durchherrscht und zusammenge-
halten von der Seele des Kunstwerkes.
Die neueste größere Arbeit des Künstlers in
Rheinbach soll hier gewürdigt werden. Rheinbach,
ein Kreisstädtchen in der Nähe von Bonn, liegt
am Fuße der Eifel nicht gerade in großer, aber
liebenswürdiger Natur. Darin haben die Schwe-
stern Unserer Lieben Frau von Mülhausen (Rhld.)
ein Lyzeum und Mädchengymnasium. Der lichte
Bau ist im Stil der Schlösser des 18. Jahrhun-
derts aufgeführt. Der Kapellenraum in dem einen
Flügel war als solcher fast schmucklos, ihr ein-
ziger architektonischer Schmuck geschmacklos:
gotische, rosa gefärbte Ripp en waren unter der Decke
bis zur Äpsiswand gezogen. Die Verhältnisse der
Apsis selbst waren nicht gut; ihre Decke traf die
Wand in einer scharf und unangenehm abbrechen-
den Kante. In der Apsis steht der Altar mit ba-
rockisierenden Formen. In diesen Raum war der
Künstler gestellt, daraus ein Gotteshaus zu schaffen,
in welchem und durch welches die Seele zu Gott
und Gott zur Seele spreche. Die Raumfrage allein
schon war schwierig. Der Künstler hat die Hemm-
nisse überwunden so, daß man meint, alles sei von
Anfang an füreinander geplant. Es ist ein leben-
diger Organismus geworden, in dem Zelle mit Zelle,
ein Glied mit dem andern zusammenwachsen zum
Ganzen, zu einem Gesamtkunstwerk.
Es sollte ein Gotteshaus werden für die Jugend
zuerst. Darin lag eine innere Steigerung der Auf-
gabe. Doch Künstler- und Kindesseele sind im
Innersten verwandt, dem Echten und Einfachen
und damit dem Großen und Monumentalen schlecht-
hin hingegeben. »Wenn ihr nicht werdet wie die
Kinder...« Menser hat sich liebevoll hineinversenkt
in die Seele der Jugend, ihre Schwingungen fein-
fühlend abgetastet und ihr dafür ihr Gotteshaus
geschenkt. Kindes- und Künstlerseele gehören zu-
einander. Die Kindesseele hat dem Künstler viel
gegeben, tief und nachdrücklich redet des Künstlers
Seele jetzt zu ihr.
Wer die Kapelle betritt, dem klingt eine wunder-
bare Symphonie entgegen, die da hinweht und
-rauscht über Wände und Decken. Da steigt die
Seele im ersten Satze dieser Symphonie aus dem
Graubraun des Sockels der Wände — das sind die
schweren ernsten Wirklichkeiten dieses Lebens, —
empor mit den Vorbildern und Führern an Wand
und Apsis (an der Evangelienseite im Schiff St. Ka-
tharina mit ihrer hl. Wissenschaft, in der Apsis
der zwölfjährige Jesus im Tempel; auf der anderen
Seite St. Aloisius in seiner Innerlichkeit und das
Mägdlein Maria im Tempel); emporgezogen vor
allen von dem herrlichen und so ganz gütigen Herz
Jesu, das auf dem Altar wirklich jeden zieht, baut
sie sich dann über den Bögen an der Chorwand den
Himmel auf. Den öffnen im zweiten Satze an der
Apsisdecke die zwei herzigen Engel mit dem Jesus-
kinde, das einladend vom Flimmel her die Händ-
chen ausstreckt. Sie schwingt weiter bis zum Mittel-
feld der Decke und schaut auf tiefblauem Grund
in goldenem Strahlenkranz das Vorbild ihrer Er-
füllung: Mariens Krönung, ganz schlicht und ganz
 
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