Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 19.1922/​1923

DOI issue:
Beiblatt
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55381#0203

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BEIBLATT

ZWEITE KÜNSTLERTAGUNG IN MARIA LAACH

i

ZWEITE KÜNSTLERTAGUNG IN DER
ABTEI MARIALAACH VOM2o.-24.JUNI
7um zweiten Male fanden sich in Maria Laach
ausübende Künstler zusammen, um in der Ein-
samkeit der Abtei die Probleme christlicher Kunst
zu erörtern, wie sie aus der Liturgie erwachsen
und sich in der Kunst der Katakomben und Ba-
siliken offenbaren. War auch auf Wunsch der Teil-
nehmer vom verflossenen Jahre die Vortragsfolge
im wesentlichen die gleiche, so gab der überreiche
Stoff Gelegenheit genug, Neues zu bieten. Der
Hoch würdigste Herr AbtDr.11 defons Herwegen
behandelte im ersten Vortrag die moderne und
die christl iche Kunst, die sich heute zu Gegen-
sätzen herausgebildet haben, indem die eine sich
von jeder Tradition lossagt, die andere mit ihr in
lebendiger Verbindung bleibt. Abt Herwegen cha-
rakterisierte die moderne Kunst als eine einseitige
Gefühlskunst, die sich zur Natur gegensätzlich ver-
hält und keine andere Norm anerkennt, als die
Persönlichkeit des Künstlers selbst. Die christ-
liche Kunst hingegen ist eine Ideenkunst, die gleicher-
weise Geist und Gefühl berücksichtigt, die sich
nicht gegen die Natur auflehnt, sondern sie viel-
mehr erfaßt, erhebt und verklärt; für die christ-
liche Kunst ist das Individuum allein nicht maß-
gebend, sondern wie das natürliche und übernatür-
liche Leben auf göttlichen Gesetzen beruht, die
die Gemeinschaft erhalten und fördern, so muß
auch sie die von Gott in die Natur gelegten Ge-
setze achten. Es ist klar, daß die Kirche einer von
allem Gegebenen sich lossagenden individualisti-
schen Kunst ihre Tore nicht öffnen kann.
Im zweiten Vortrage über die Kunst der Ka-
takomben wies der Hochwürdigste Herr Abt
darauf hin, daß die Bilder in den unterirdischen
Grüften weder rein sepulkral, noch auch rein jen-
seitig zu erklären sind, sondern sepulkrale Jenseits-
bilder darstellen, die in tiefer Weise den Gedanken
erläutern: »Translati sumus de morte ad vitam«.
Wir sind vom Tode ins Leben versetzt. Und zwar
geschieht diese »translatio« durch die Erlösung.
Deshalb auch die reiche Kreuzessymbolik in den
Katakombenbildern. Sie sind aus dem Dogma, dem
Kultus und der in der Liturgie lebendig gewor-
denen Hl. Schrift erwachsen. In den Zeiten furcht-
barster Verfolgung entstanden, zeigen sie trotz-
dem keine Erregtheit in ihrem Ausdruck, sondern
eine wohltuende Harmonie und friedvolle Ruhe.
Der dritte Vortrag behandelte die Mosaiken
von Ravenna, in denen der Gedanke des Lebens
und seiner Erhöhung zur Herrlichkeit in der Ver-
klärung Christi und der Kirche zur Geltung kommt.
Die tiefere Darlegung der Basilikenkunst als einer
Kunst der Verklärung und ihrer Nachwirkung das
ganze Mittelalter hindurch, gab einen Begriff von
dem Werte und der Bedeutung der byzantinischen
Kunst überhaupt und ließ verstehen, wie sich die
christliche Kunst immer wieder an dieser Gemein-
schaftskunst im höchsten Sinne orientieren muß.
Der vierte, der Beuroner Kunst gewidmete
Vortrag erhielt als wertvolle Einleitung die Schil-
derung der Ausprägung des rein Religiösen von
der Kunst zu Ravenna bis zur Jetztzeit. Das rein
Religiöse in der Kunst wurde bald durch die Kultur-
freudigkeit des Mittelalters zurückgedrängt. Je
stärker das germanische Wesen sich durchsetzte,
um so weltlicher wurde der Charakter der künst-
lerischen Darstellung auch .auf kirchlichem Ge-
biete. Das kommt vor allem in der Architektur
und Plastik zur Geltung, aber auch in der Malerei,

in der das bürgerliche Leben auf dem Altar er-
scheint. Noch stärker tritt das in der auf die heid-
nische Antike zurückgehenden Renaissance hervor,
die ohne Zweifel großartige Schöpfungen aufzu-
weisen hat; aber welch ein Gegensatz tut sich auf
zwischen Rubens und den Katakomben! Diese Welt
hat in religiöser Beziehung nichts mehr zu bieten.
Im Barock und Rokoko werden die Darstellungen
geradezu mondän, so daß man kaum weiß, ob die
Heiligen in ein Lustschloß versetzt sind oder die
Herren und Damen aus dem Salon in den Himmel.
Es soll nicht geleugnet werden, daß das rein Reli-
giöse in diesen Perioden in Einzelbildern nicht
fehlt, aber der Gesamtkomplex hält den Vergleich
mit der religiösen Gesamtkunst von Ravenna
nicht aus.
Diese Untersuchung, wie das rein Religiöse seit
den ravennatischen Mosaiken dargestellt worden,
bot den Untergrund zur Erläuterung der Beuroner
Kunst, die als eine rein religiöse von religiösen
Menschen gepflegte Kunst sich darstellt. Im Beu-
roner Stil suchte man Objektivität und Monumen-
talität zu erreichen. Zu bedauern ist, daß P. Lenz
nicht an Ravenna anknüpfte. Das ist aber ver-
ständlich, da die ravennatische Kunst damals noch
nicht wiederentdeckt war. An die Katakomben
lehnte man sich nur mit Vorsicht an, weil ihre
Erforschung erst begann. So wurde die gesamte
Antike die Grundlage der Beuroner Kunst. Da-
durch kam P. Lenz zu der einfachen Linie, zur
Ideen- und geistigen bunst, in der weniger das
Gemüt als die Objektivität zum Ausdruck kommt.
Das Maß, die Wertschätzung der Mathematik, der
Sinn für Eurhythmie und Symmetrie, die der mo-
dernen Kunst so sehr abgeht, ist charakteristisch
für die Bestrebungen des P. Lenz. Die Komposi-
tionen der Beuroner Künstler sind schwach, so-
fern sie die Bewegung darstellen. So ist der Kreuz-
weg in der Marienkirche zu Stuttgart eine der
weniger geglückten Leistungen, weil der Charakter
der Beuroner Kunst statuarisch ist.
Der Wert der Beuroner Kunst für unsere Zeit
liegt in ihrem religiösen Gehalt, in ihrer Form
und in ihrer strengen Linienführung, die in wohl-
tuendstem Gegensatz zur Unklarheit der Gegen-
wart steht.
Reiche Anregung bot der fünfte Vortrag über
den Künstler und die Hl. Schrift. Vor allem
ist für den Künstler maßgebend, daß die von der
Kirche in den Kanon aufgenommenen Schriften
unter Eingebung des Hl. Geistes geschrieben sind
und daher Gott zum Urheber haben. Sucht der
Künstler in der Hl. Schrift das rein Religiöse zu
erfassen, so wird er durch das Studium der Schrift-
ausleger finden, wie ein Ereignis mit dem anderen
zusammenhängt, wie alles auf die Erlösung und
die Parusie des Herrn hinweist. Sucht er den
Heiland in der Hl. Schrift, dann wird er ihn auch
finden und zu sich reden lassen. Schon rein mensch-
lich ist es auf das tiefste zu bedauern, daß Harnack
die Losung ausgegeben hat, mit dem Alten Testa-
mente aufzuräumen, soweit nicht die Psalmen und
die Propheten allgemein gültige Gebetsworte ent-
halten. Wieviel würde dadurch den Protestanten,
wieviel allen verloren gehen ! Es handelt sich um
unersetzliche Menschheitswerte. Der Künstler muß
das Alte und das Neue Testament studieren, dann
wird sich bei ihm das Wort bewahrheiten: »Das
Neue Testament ist im Alten Testamente ver-
borgen, das Alte wird im Neuen offenbar.« Der
Künstler kann auch Bilder darstellen, die tatsäch-
lich in der Hl. Schrift nicht geschildert sind, die

Die christliche Kunst. XIX. 1. 3.
 
Annotationen