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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 19.1922/​1923

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Hummel, M.: Die Wallfahrtskirche "Maria Brünnlein" bei Wemding a. Ries: Ein Beitrag zur Baugeschichte der Kirche mit besonderer Berücksichtigung ihrer beiden Meister Franz J. Roth und Joh. B. Zimmermann
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Mader, Andreas Evaristus: Zur Erklärung einiger "Rätselfiguren" auf den Passionsbildern Dürers, Schongauers, Glockentons und anderer Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.55381#0146

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118 ERKLÄRUNG EINIGER RÄTSELFIGUREN AUF PASSIONSBILDERN

festigte Altargemälde mit der Himmelfahrt
Christi flankieren. Sie tragen Vasen, Engel
mit den Leidenswerkzeugen und zwei Che-
rubim, die auf ihrem hohen Standort ihre
Flügel über dem Tabernakel ausbreiten. Vor
die Chorfenster gestellt erscheinen die Engel-
figuren in kräftigen Umrissen. Auf ihren
Postamenten zwischen Säulen weisen uns die
überlebensgroßen Statuen St. Johannes der
Täufer und Johannes der Evangelist in stum-
mer Gebärde auf das Wort Gottes hin. Die
Büsten der beiden Apostelfürsten sind bei-
derseits an den Altarstufen auf niedrigerem
Sockel aufgestellt.Zwei kleinereGemälde über
dem Altarbild und Schnitzwerk leiten oben
über zum Chorgewölbe. Das Ganze ist eine
echt barocke, perspektivisch wohl berechnete
GruppierungderTeileeinesBarockaltarbaues.
Aus der klassizistischen Zeit besitzt die
Kirche ein gegenüber der Kanzel angebrach-
tes Kruzifix, wohl das beste Werk der Kirche
in Bildhauerarbeit. Es stammt von Roman
Boos. (Über diesen und obenerwähnten Chri-
stian Winck s. Schlecht, Kalender bayerischer
und schwäbischer Kunst 1921, Gesellschaft
für christliche Kunst München.)
Von den Altargemälden ist das von dem
Hofmaler Christian Winck 1790 gemalte
Altarbild auf dem rechten zweiten Seiten-
altar das beste; es stellt die Diözesanheiligen
Willibald, Walburga, Richard, Wunibald dar.

Aus München kam 1755 aus der Werk-
stätte von Anton Bayer die Orgel, die seit
Jahren außer Gebrauch gesetzt ist. Drei
Glocken, ausgezeichnet durch herrlichen,
milden Klang, auf dem schlanken Turm
sind das Werk der Glockengießerei Krauß-
München 1788.
Das Äußere der Kirche ist einfach. Eine ge-
wisse Gliederung bringen die leider stark be-
schädigten Rokokoportale, Nischen, Lisenen
und vor allem die Fensterreihen, durch die
das Licht des Tages dank der Nordrichtung
der Kirche vor allem morgens und abends an
den Längsseiten Zutritt zum Innern hat und
dasselbe stimmungsvoll beleuchtet.
Wir haben nun die Baugeschichte der Wall-
fahrtskirche in den wichtigsten Daten geschil-
dert. Ganz jedoch ist sie heute noch nicht
vollendet. Der Westturm ist nur halb aus-
gebaut. Der fehlerhaft konstruierte Dachstuhl
war immer eine Gefahr für die Kirche, die
jedoch jetzt beseitigt ist. Dank der Unter-
stützung und Hilfe von Guttätern konnte von
Mitte November 1922 bis Mitte Januar 1923
der Dachstuhl einem durchgreifenden Um-
bau unterzogen werden. Andere Aufgaben
sind demnächst zu lösen, um die Wallfahrts-
kirche in W emding, das Werk frommen Sinnes
des Volkes und der Tatkraft Forsters, die
Schöpfung Roths und Zimmermanns, zu er-
halten auf ferne Zeiten.

ZUR ERKLÄRUNG EINIGER »RÄTSELFIGUREN« AUF DEN
PASSIONSBILDERN DÜRERS, SCHONGAUERS, GLOCKEN-
TONS UND ANDERER MEISTER
Von P. Dr. A. E. MADER. S. D. S.

Tm Repertorium für Kunstwissenschaft
(Bd. 27 [1904], S. 289—307; 430—449;
491—510 und Bd. 28 [1905], S. 35—58) be-
spricht K. Tscheuschner die Wechsel-
beziehungen der deutschen Passionsbühne
zur deutschen Malerei des 15. und 16. Jahr-
hunderts. Bei der Besprechung der Gerichts-
szene vor Annas schreibt Tscheuschner : »In
Dürers Kleiner Passion findet sich auf dem
Blatt ,Christus vor Hannas' neben dem
Richterstuhle eine weibliche Person, die, auf
einen Krückenstock gestützt, auf Annas ein-
redet. Diese Gestalt ist unerklärlich. Weder
im Evangelium noch in den Passionsspielen
findet sich irgendwelcher Anhaltspunkt zur
Ausdeutung derselben. Es ist dies um so
sonderbarer, als dieses Motiv mit geringen

Modifikationen in der bildlichen Darstellung
öfter wiederkehrt, so bei Martin Schon-
gauer (B. 11 — ein Mann, mit der Linken
auf einen Krückenstock gestützt, neben dem
Throne des Annas), ferner bei Albrecht
Glockenton (B. 6 — neben Annas ein
alter Mann, einenKrückenstock in der Linken,
der auf die Juden einredet), und endlich bei
Lukas von Leyden (B. 59 — hier neben
Annas zwei alte Männer, von denen der eine
sich lebhaft dem Hohenpriester zukehrt.« —
Die Beispiele, die Tscheuschner anführt,
lassen sich noch vermehren : Auf zwei Feder-
zeichnungen aus der Grünen Passion Dürers
in der Albertina in Wien, welche die Auf-
schrift »Christus vor Pilatus« und die Jahres-
zahl 1504 tragen, sind hinter Pilatus zwei
 
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