Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 19.1922/​1923

DOI Artikel:
Riedl, Richard: Die Gobelins-Ausstellung im Belvedereschloss zu Wien unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die christliche Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55381#0097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
73

OBERE BORDÜRE DES TEPPICHS: TAUFE CHRISTI. Z^Z. Aii. S. 74. - Text 5. 78


DIE GOBELINS-AUSSTELLUNG IM BELVEDERESCHLOSS
ZU WIEN UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG
IHRER BEDEUTUNG FÜR DIE CHRISTLICHE KUNST
Von RICHARD RIEDL
(Vgl. Abb. Seite 73—88)

TAiese in ihrer Großartigkeit und künstleri-
sehen Bedeutung einzig dastehende Aus-
stellung gibt nicht nur dem Kunstverständi-
gen und Kunstfreunde, auch jedem gebilde-
ten Laien einen Begriff davon, welchen Ver-
lust der ursprünglich beabsichtigte Verkauf
dieser unschätzbaren Kunstobjekte für Wien
und Deutsch-Österreich an das Ausland be-
deutet hätte1)- Die allgemeine Entrüstung
über diese schon sehr ernstlich in die Wege
geleitete Absicht, nicht zum wenigsten die
sehr energischen Proteste sämtlicher Wiener
Kunstvereinigungen, insbesondere der »Se-
cession« haben es glücklich erreicht, daß der
beabsichtigte Verkauf unterblieb. Jetzt hat
auch die gesamte Öffentlichkeit Gelegenheit,
diese unvergleichlichen Kunstschätze aus
eigener Anschauung kennenzulernen und zu
bewundern, denn ebenso überraschend wie
staunenswert sind die Pracht und der Reich-
tum, die hier wieder zum Leben auferstan-
den sind. Künstler werden in dieser Aus-
stellung die vielseitigste Anregung, Kunst-
freunde einen erhabenen seltenen Genuß,
Kunstgelehrte eine fast unerschöpfliche
Quelle der Erkenntnis finden. Wer noch
irgendwie etwas von alter österreichischer
Kultur sehen will, muß unweigerlich das
stolze Belvedereschloß aufsuchen. Es war

T) Die Ausstellung war im Sommer 1920. Die
Veröffentlichung des Berichtes mußte wegen Raum-
mangels bis jetzt zurückgestellt werden. D. R.

ein überaus glücklicher Gedanke, die bisher
dem gewöhnlichen Sterblichen hermetisch
verschlossenen, exklusiven Prachträume des
ursprünglich von Meister Hildebrand in vor-
nehmster Barockarchitektur für Prinz Eugen
von Savoyen, den edlen Ritter, wie er im Liede
heißt, gebauten Palastes, den zuletzt der un-
glückliche Erzherzog Franz Ferdinand be-
wohnte, für den gegebenen Zweck zu wählen.
Besonders erfreulich wirkt in dieser Aus-
stellung die Tatsache, daß ein großer Teil der
prachtvollsten Stücke (die, nebenbei erwähnt,
bisher in einem Depotraum des Schlosses
Schönbrunn, zusammengclegtinRegalen, auf-
bewahrt wurden) religiöse Motive auf-
weist. Besonders hervorzuheben, schon ihres
imposanten Eindrucks wegen, sind die zahl-
reichen Zyklen, fast alle aus Brüsseler Werk-
stätten stammend, mächtige Figurenin hellen,
meist lebhaften Farben unter reichster Ver-
wendung von Goldfäden. Geradezu über-
wältigend wirken die Darstellungen aus
dem Leben Abrahams nach Barend
van Orley (1492—1542), die einer zehn
Bilder aus dem Leben des Erzvaters um-
fassenden Folge entstammen. So »Abraham
kauft einen Acker Landes als Grabstätte
für seine Gattin Sara« (Genesis, Kap. 23,
Vers 16 —19, Abb. S. 79). Im Hintergrund
ist der Leichenzug Saras zur Höhle Mamre
sichtbar. Die reiche Bordüre weist links,
rechts und unten zwischen architektonischen
Nischen allegorische Figuren auf, die sämt-

Die christliche Kunst. XIX. 6. März 1923
 
Annotationen