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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 19.1922/​1923

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Fischer, Theodor: Ein Denkmal christlicher Kunst von Karl Menser
DOI Artikel:
Krämer-Kassel, F.: Neuere Werke von W. Stucke-Bonn
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https://doi.org/10.11588/diglit.55381#0059

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NEUE WERKE VON W. STUCKE

39

KARL MENSER HL.ANTONIUS
Kapelle in Rheinbach. — Text S.38


wie die Plastik dieses Reliefs wirkt, wie
sicher die einzelnen Flächen zueinander ste-
hen, wie fein ihre Höhe und Tiefe jeweils
abgestimmt ist. Wie ein Meer wogen die ein-
zelnen Teilflächen ineinander, wenn man dar-
über hinschaut, und entwirren sich wieder
in großen, klaren Konturen. Das ist große,
monumentale Kunst. Und zuletzt die Einzel-
figuren St. Joseph und die Immaculata. Wie
eine reine Flamme zuckt diese plötzlich em-
por: jungfräuliche Reinheit; die istaber nicht
nur etwas Negatives: die ganze Gestalt ist
demütiges, volles Hingegebensein, ganz Ge-
fäßsein für Gott, bis in die feine Neigung
des Kopfes dem Altäre zu: »Siehe ich bin
eine Magd des Herrn«1)- — Auch diese Jo-
sephsstatue trägt eine eigene Note: das Kind
auf seinen Armen schaut liebevoll in die Schar
der Bittenden, undSt. Joseph redet ihm väter-
lich zu: »Dem mußt du helfen«.
Nicht nur groß ist Mensers Kunst, dem
frommen Sinn entsprungen zieht sie mit und
führt empor, in glücklicher Weise beides in
sich vereinigend. Überblicken wir noch ein-
mal das Ganze und schauen dabei auf das Ver-
hältnis von Linie und Farbe, so ist die klare
Linie, der Geist, führend, und nur um diese
recht herauszuheben und wie um die Stim-
mung des Gefühls ausklingen zu lassen, sind
die Grundflächen der Wände und der Decke
in zartes Rosa-Violett (als Lokalfarbe) ge-
taucht, wie es die aufgehende Sonne über die
Wolken am Morgenhimmel für kurze Zeit
hinhaucht. In die Kartuschenfelder der Decke
sind verschiedene Gelb- und Blautöne hinein-
gesetzt bis zu dem satteren Blau des Mittags-
himmels um die Brennpunkte der Hostie
und Krönung. Aller Stuck ist schlohweiß
geblieben.
Barock ist die Linienführung, aber nicht
Nachahmen eines vergangenen Stils: Menser
schafft aus beherrschendem Stilgefühl neu,
so gut passen seine modernen Reliefs in den
ganzen, barocken Rahmen.
Man hat es bedauert, daß das Kunstwerk
nicht mehr Beschauern zugänglich sei. Es ist ein
Glück,daß es nicht auf dem lauten Markt oder an der
allgemeinen Verkehrsstraße liegt, wo es doch viel-
leicht überhört oder zur alltäglichen Ware würde.
Auch die Natur liebt es, ihre letzte Schönheit
keusch und zurückhaltend zu verbergen und nur
denen zu enthüllen, die sich darum mühen. Ist es
nicht ungleich wertvoller, wenn die Perlen der
Kunst da aufbewahrt werden, wo sie wirklich
innerlich betrachtet werden und beglücken? Und
ist es nicht Wirkung genug, wenn dies Kleinod
in dem stillen Erziehungsheim mithilft, in den
Seelen kommender Mütter und gebildeter Frauen
für ganze Generationen Begeisterung zu wecken
für die echte, göttliche Kunst, und, was mehr ist,
die Liebe zu entzünden zu dem, in welchem Schön-
heit, Wahrheit und Güte eins sind? Das ist ein
bleibender, innerer Lohn für die hochherzigen
Stifter und besonders für den Künstler.
Theodor Fischer, Rheinbach

’) Einen überraschenden Beitrag für die Psychologie seines
Schaffens gab die Aufstellung der fertigen Figur: die eigene
Linie des Umrisses stimmte genau überein mit der der flüch-
tigen Skizze, welche der Künstler vor sechs Monaten aus der
ersten Konzeption auf die Nischenwand geworfen hatte.

NEUERE WERKE VON
W. STUCKE-BONN
Von F. KRÄMER-KASSEL
(Vgl. Abb. S. 41—44)
AÄ Zelterschütternde lange Kriegsjahre haben auch
* * auf friedliche Unternehmungen, auf das Gebiet
der bildenden Kunst düstere Schatten geworfen.
Haben sie auch nicht vermocht, dieselbe ganz zu
verdrängen, so beengten sie dieselbe doch und waren
die Ursache, daß neue Werke, die auf dem Gebiete
friedlicher Kulturarbeit liegen, nicht geschaffen
worden sind, angefangene bis zur Vollendung um
Jahre hinausgeschoben oder unvollendet bleiben
mußten, wenn der Künstler sein Leben fern der
Heimat fürs Vaterland hingab.
Auch der Künstler Willy Stucke-Bonn, dessen
neueste Werke hier gewürdigt werden sollen, mußte
bald nach dem verhängnisvollen 1. August 1914
den Pinsel mit der Waffe vertauschen und den
ruhigen Weg der Kunst auf lange Zeit verlassen.
Allerdings hat er, sobald sich ihm selbst auf feind-
lichem Boden Gelegenheit zu friedlicher Arbeit bot,
dieselbe benutzt, Porträte gemalt und durch viel-
fache Studien sein Können noch weiter entwickelt
und vervollkommnet. Eine ganze Reihe prächtiger

6*
 
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