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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,2.1916

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1916)
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Gurlitt, Cornelius: Deutsche und französische Hochschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14292#0271

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klagt, daß dre (Lntdeckungen Pasteurs — diejenrgen deutscher Natursorscher
verschwergt er natürlrch — zu erner völligen Urngestaltung der Laboratorien
für experimentelle Antersuchungen innerhalb von dreißig Iahren ge«
sührt haben.

Mit Bewunderung spricht er von der Organisation des Rnterrichts, der
stillen, geduldigen, selbstvertrauenden Arbeit der Gelehrten, dem Fleiß
und der Disziplin des Hilfspersonals: Aberall das Streben, die Pflichten
gut zu erfüllen, ohne Rederei. Die literarische Tätigkeit deutscher Wissen-
schaft, die ins Unglaubliche gestiegen sei, äußert sich ebenso in wissenschaft»
lichen Werken wie in der Fachpresse.

So ist nach Cruchets Ausspruch jede deutsche Universität eine mora-
lische Persönlichkeit, die sich selbst genug, unterstützt vom Staat, der Ge-
meinde und von reichen Geschenkgaben, eifersüchtig über ihre Unabhängig»
keit wacht. Sie vereint in sich tausenderlei Formen des Wissenschafts«
betriebes, verwaltet sich selbst und durchdringt mit ihrem Geist das um-
liegende Gebiet. Ihr Ruhm dringt über die Grenzen Deutschlands in
die Nachbarländer ein und hilft die deutsche Wissenschaft nach allen Seiten
zu verbreiten. Klagend bemerkt Cruchet den Rückgang an Besuch durch
ausländische Studenten an den französischen Aniversitäten — arzßer in
Paris. Vor dem Kriege stand die Zahl der an den Universitäten studieren-
den Ausländer etwa gleich mit 5000—5200, darunter die tzälfte Russen.

An diesen Verhältnissen erkennt Cruchet die Folgen der bessern Organi-
sation in Deutschland. Unmöglich ist es ihm, die deutschen Gelehrten als
gleichwertig mit den französischen anzuerkennen. Die Organisation aber
befähigt nach seiner Ansicht auch mittelmäßige Köpfe, Rützliches zu leisten.
Er übersieht den logischen Fehler seiner Ausführungen: Das Äbergewicht
an Organisation, das heißt an einer autoritativen Leitung liegt gerade in
Frankreich. Cs ist eine Folge dieser Organisation, daß das Nniversitäts-
wesen sich in seiner einseitigen Bevorzugung von Paris äußert. Von
rund H0 800 Studenten, die die französischen NniversiLäten W3 hatten^
studierten ^7 500 in Paris, das ist H3 Prozent. Die nächstgrößte Universü-
tät, Lyon, hatte 3050 Studenten, 7 Universitäten hatten unter ^200 Stu-
denten. Dagegen studierten an 2^ reichsdeutschen Aniversitäten 66 700
Mann, und von diesen nur ^H00 in Berlin, also 22 Prozent. Dabei
übertrafen München mit 7000, Leipzig mit 6^00, Bonn mit H300 Stw-
denten die Zahl der Lyoner. tzalle war ihm etwa gleich und nur eine»
nämlich Rostock, hatte unter ^200 Studenten. Und zwar vollzog sich die
gleichmäßigere Verteilung unter der tzerrschaft der größten Freizügigkeit
der Studenten, freilich aber auch dadurch, daß eben die deutschen Staaten
in der Pflege der Wissenschaften untereinander wetteifern. Dazu kommt, daß
in der Schweiz und in Belgien 7 Universitäten mit französischer Unter-
richtssprache mit rund ^2 000 Studenten bestehen, in der Schweiz und
Osterreich aber 8 Rniversitäten mit deutscher Unterrichtssprache und ^500
Studenten, darunter Wien mit 8750 Studenten, daß also zusammen an
2H französischen wissenschaftlichen Mittelpunkten 52 800 Studenten und an
2y deutschen 84 500 Studenten: das Gesamtgebiet des deutschen Wissen-
schaftsbetriebes zum französischen steht also wie 8:5!

Cruchet wird nicht müde, die Selbstherrlichkeit zu rühmen, mit der ein
deutscher Professor in seinem Institut waltet. <Lr schildert zwar nicht die
organisatorischen Schikanen, die die französischen Kollegen bedrücken, aber
sie sind ja bekannt genug. Sein ganzes Buch ist geschrieben in der Absicht,
 
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