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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Grupp, Georg: Zur Reformationsgeschichte des Rieses
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0010

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ohne Zweifel das, daß Friedrich und sein
Bruder Wolfgang nur dem Scheine nach
regierten, sie aber eine geheime Nebenre-
giernng ausüben ließen, wie sie denn auch
einigemal, nach allerdings sehr dunkeln
Andeutungen, sich Eingriffe in die Herr-
schaft erlaubten.
Einmal wäre es doch den Bemü-
hungen' der Freunde der beiden Ver-
bannten beinahe gelungen, ihre Begna-
digung zu erlangen gegen das Versprechen,
das Interim anzuerkennen und einzn-
sühren. Nun wurde aber das Interim
trotz des starken Entgegenkommens gegen
protestantische Anschauungen von dem
maßlosen Hasse der Prädikanten verfolgt;
seine Anerkennung wurde als ein schmäh-
licher Abfall und Verleugnung Christi
ausgegeben; es sei, wie wenn man das
Malzeichen des apokalyptischen Tieres in
die Hand nehme, wie wir unten hören
werden. Deshalb fühlten sich die beiden
Verbannten, namentlich der leidenschaft-
liche und fanatische Ludwig XVI. bei der
Zumutung, das Interim anzuerkennen,
im Gewissen beunruhigt und wandte sich
deshalb an den Luther deS Rieses, Georg
Karg, früher Stadtpfarrer in Oettingen,
nunmehr Pfarrer in Schwabach, ihm Rat
zu geben. Karg riet ihm nun „schlank-
weg", er möge das Interim formell aner-
kennen, seine Seele aber durch eine re-
servatio mentalis saldieren. Um nur
wieder zur Herrschaft zu gelangen —
denn das sei die Hauptsache —, ließ Karg
dnrchblicken, könne und müsse er jenes
Opfer bringen. Als regierender Herr
könne er dann doch thun, was er wolle,
und könne wenigstens mit seinem Beneh-
men ein gutes Beispiel geben, wenn er
auch offiziell das Interim verkündigen
lasse. So machten es ja die meisten pro-
testantischen Fürsten; sie führten wieder
einige Aenßerlichkeiten des katholischen
Kultus ein, dem Kern und Wesen nach
blieb aber alles beim alten. So inachte
man es in der nächsten Nähe von Oet-
tingen , in Nördlingen und Harburg (s.
meine Oettingensche Reformationsgeschichte
S. 143 ff.).
Im Hinblick ans jenen Brief Kargs,
den wir unten im Wortlaut anführen,
habe ich S. 86 der Oett. Ref.-Gesch. ge-
sagt, Karg habe Ludwig zur Zweideutig-

keit verführen wollen, ohne weiter ans den
Inhalt des Briefes einzngehen. Diese
Bemerkung wurde nun aber von Bossert
in dem theologischen Litteratnrblatt in Leip-
zig 1894 Nr. 20 aufgegriffen und als
beweislose Behauptung hingestellt. In-
dessen hat die Redaktion auf Vorlage des
Originaltextes hin in loyaler Weise in
Nr. 24 eine Berichtigung gebracht, welcher
sie nur eine ungeschickte Bemerkung am
Schlüsse beifügte, die aber durch die Un-
kenntnis des wahren Sachverhaltes ent-
schuldigt werden kann. Sie erklärte näm-
lich : „Wenn der Graf sich gegen das
Interim leidend verhalten, dafür aber
desto mehr über dein reinen Evangelium
halten sollte, so dürfte das doch keine
„Zweideutigkeit" sein." Diese Bemerkung
wäre am Platze und berechtigt gewesen,
wenn es sich um einen Grafen gehandelt
hätte, der im Besitze der Herrschaft war
und dem nun das kaiserliche Jntcrimöge-
bot znging. Ein solcher konnte sich lei-
dend verhalten und passiven Widerstand
leisten. Ganz anders verhält es sich, wenn
die formelle, offene und ehrliche Anerken-
nung des Interims die conctitio sine czuL
non der Begnadigung und der Rückkehr
und Wiedereinsetzung in die Herrschaft
war. Zwischen beiden Sachlagen ist ein
himmelweiter Unterschied, den man an
einem naheliegenden Beispiel veranschau-
lichen kan», nämlich an den Maigesetzen.
Sich zu den Maigesetzen leidend zu ver-
halten und sich trotz ihrer im Amt zu er-
halten, war gewiß von keinem der Bischöfe
und Pfarrer, die während der ganzen
Zeit des Kulturkampfes in ihren Stellen
blieben, zweideutig; aber mehr als zwei-
deutig wäre es gewesen, wenn man einem
Bischofskandidaten geraten hätte, den mai-
gesetzlichen Bischofseid zu leisten und sich
nachher doch als katholischen Bischof zu
geriere». Nach dieser Erklärung mag der
betreffende Brief folgen, der auch sonst
für die Geschichte der Zeiten deS Interims
wichtig ist. Es wirft z. B. ein merkwür-
diges Licht auf die Gesinnung Kargs und
seiner Genossen, wenn er zum Schlüsse
den Or. Eck, mit dem nebenbei bemerkt
auch Graf Martin von Wallerstein in
Beziehung stand mit Herzog Wilhelm
') Eck deduzierte ihm die Antwort „Auf
 
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