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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Beck, Paul A.: Aus einem schwäbischen Reichsstifte im vorigen Jahrhundert, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0039

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nberznschlüpfen und sich da wieder neue
Legitimationen zu verschaffen, in dem Mangel
an jedem einheitlichen Zusammenwirken der
verschiedenen Behörden, dem damaligen Zu-
stande der Kriminalpolizei, sowie in den
kläglichen kleinlichen Eifersüchteleien zu
suchen, welche die Behörden der einzelnen
Gebiete in übertriebener Wahrung ihrer
Hoheitsrechte gegen einander znm Vor-
schein und Austrage kommen ließen, an-
statt sich in Bekämpfung des gemeinsamen
Nebels entgegenzukommen und einander die
Hand zu bieten. Mit der Zeit hatte im
zersetzenden achtzehnten Jahrhundert, in
dem ja alles ans den Fugen gehen zu
wollen schien, das Unwesen so schrecklich
überhand genommen, daß man desselben
beinahe nicht mehr Herr und Meister wer
den konnte. An gutem Willen, dem Un-
wesen zu steuern, aber auch an That und
Strenge fehlte es schließlich nicht; das
Gesetz ließ damals nicht mit sich spassen,
der Gerechtigkeit wurde in den allermeisten
schweren Fällen der volle Lauf ge-
lassen und von Begnadigungen hörte man
nur äußerst selten etwas; herrschendes
Strafgesetz war damals allenthalben noch
Karls V. peinliche Halsgerichtsordnnng,
die sog. Karolina, welche bekanntlich
mit der Todesstrafe gleich bei der Hand
war; letztere wurde auch häufig genug
zur Anwendung gebracht und überall,
bis der überhumane Kaiser Joseph II.
im Jahre 1780 dieselbe in den vorder-
österreichischen Landen abschafsle, wogegen
sie in allen den kleinen Gebieten fortbe-
stand und auch bald nach dem Ableben
dieses Regenten in Vorderösterreich wieder
eingefnhrt wurde. Damals stand in Ober-
schwaben Hochgericht an Hochgericht, Galgen
an Galgen; in Schussenried imsog. „Galgen-
weiher". Aber selbst die strengste Justiz
war nicht in, stände, mit der Landplage
anfznränmen; fast war cs, als ob daö
Sichermannen und Anfraffen der Kriminal-
behörden den Reiz znm Verbrechen eher
gesteigert als vermindert hätte und als ob
der verbrecherischen Hydra desto mehr
Köpfe nachwachsen würden, je mehr man
ihr abschlug. Die allergrößten Schwierig-
Uiten machte allen Bestrebungen nach Her-
stellung eines geordneten Zustandes das
damalige heilige römische Reich deutscher
Nation selbst, dessen Arterien mit ihren i

matten Pnlsschlägen in tausend und aber-
tausend Verzweigungen durcheinander liefen,
so daß die eine Behörde, wenn sie einmal
einen lange und sehnlich Gesuchten in
einem Bezirke, in dem sie schalten und
walten durfte, zu haben glaubte, oft Zu-
sehen mußte, wie derselbe mit ein paar
^ großen Schrillen auf ein benachbartes
fremdes Gebiet, in dem sie nicht amten
! durfte, entwischte und dort wieder sicher
seine Pfade wandelte, was namentlich auch
bei Schussenried häufig genug zutraf, denn
gegen Norden grenzte es gleich an das
Stift Buchau und die Reichsstadt Biberach,
j gegen Osten an die Grafschaft Waldsee,
! gegen Süden wieder au diese und die
- ReichSgrassckaft KönigSeck-Anlendorf, gegen
> Westen wieder an Buchau und die Graf-
^ schaft Friedberg-Scheer. Ueberall hatten
j diese Angrenzer, alle Enklaven, die Land-
> vogtei rc. zu peinlicher Wahrung ihrer
! hohen JuriSdiktionslinien ihre GerichtS-
^ Marksteine angebracht, welche sich allent-
- halben durchkreuzten; diese zu nahen Grcnz-
verhältnisse gaben aber nichts als Anlaß
zu „Spann und Stösen, zu Irrungen und
Zwistnngen". An Vermeidung dieser Aus-
wüchse der menschlichen Gesellschaft ans
Schussenried und Umgegend sind die Auf-
zeichnungen unseres Chronisten besonders
reich und geben wir in nachfolgendem eine
kleine kriminalistische Auslese: Den 18. Juni
1733 wnrde zu An lend orf (GerichtShcrr
Graf von Königseck-A.) ein beskinlis puer
14 Lirnorum decapitiert und samt den
Pferden verbrannt. — Den 22. Februar
1736 wnrde zu Grodt, welches damals
dem Stifte Buchau gehörte, woselbst aber
Schussenried als ein österreichisches Lehen
die hohe Gerichtsbarkeit besaß, „ein Mann
eingezvgen, auch allhie inhaftiert, welcher
in den Verdacht gekommen, einen Kerl,
der vor einigen Tagen zu Lenatweiler
(einem nach Schussenried gehörigen Weiter »,
bei Michelwinnende» in einem „Dünnen"
mit eingeschlagener Hirnschale gefunden
worden, ermordet zu haben, ist aber her-
nach für unschuldig erkannt und wieder
losgelassen worden, worüber er sehr klagte."
Den 9. Mai wurden in der Nähe zu
Buckau drei dortige Bürger durch das
Schwert hingerichtet, weil sic mit Beihilfe
einiger Inden schon vor 17 oder 18 Jahren
einige große und qualifizierte Diebstähle
 
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