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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Schröder, Alfred: Dionysius von Rehlingen, Reichsprälat von Wettenhausen 1658 - 1692, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0078

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saltung, je länger alles Knnststreben nnler
dem Toben des Krieges darniedcrgelcgen
war — was also den Plan eines Neu-
baues der Kirche von Wettenhauscn ver-
aulaßte, ist mit Sicherheit nicht mehr
festznstelleu. Wir dürfen aber annehmen,
daß die Kirche sich thatsächlich nicht mehr
in gutem baulichen Zustande befand; denn
schon im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts hatte Propst Ulrich außer dem
Chore auch den Thurm der Kirche von
Grund aus neu aufsührcn lassen, und der
Thurm ist doch in der Regel der festeste
Teil des Kircheugebäudes. Der Thurm
nun sowie der im Jahre 1523 geweihte
Chor bliebe» stehen, das Langhaus da-
gegen wurde im Jahre 1669 uiedergelegt.
Das abgebrochene Langhaus stammte jeden-
falls noch ans der romanischen Bauperiode
und hatte damals vielleicht ein Alter von
450—500 Jahren; wir können uns also
über den Verlust, den die Kunstgeschichte
durch den Abbruch dieses ehrwürdigen, in-
des damals schon in der Chor- und Thurm-
partie gänzlich umgcstaltelen Gebäudes er-
litten hat, immerhin mit dem Gedanken
trösten, daß daö alte Langhaus baufällig
war und auf die Dauer nicht mehr stand
gehalten hätte. Zu beklagen aber ist es,
daß der Prälat in der Erhaltung historisch
merkwürdiger Gegenstände, welche die Kirche
im Laufe der Jahrhunderte in sich ausge-
nommen hatte, so wenig pietätvoll vorging.
Die alten Grabmäler, deren die Kirche
eine Menge enthalten haben mußte, nicht
bloß von einer Reihe von Prälaten, sondern
auch von zahlreichen Angehörigen schwä-
bischer Adclsfamilien — hatten doch die
Herren von Roth und die reichen Ritter
von Ellerbach im 14. und 15. Jahrhundert
ihre Familiengruften mit eigenen Altären
und Kapellen in der alten Klosterkirche —
sie alle sind bis ans wenige spate Neste
dem Geschmack der Zeit znm Opfer ge-
fallen und mit ihnen eine reich fließende
Quelle der Ortsgeschichte. Doch wollten
wir daraus einen persönlichen Vorwurf
gegen den Prälaten ableiten, so wäre daö
gleichbedeutend mit dem Verlangen, daß er
seiner Zeit um 150 und mehr Jahre hätte vor-
auscilen und schon damals einen historischen
Sinn haben sollen, der noch im Anfang unse-
res Jahrhunderts, das doch die Signatur der
Historie trägt, in tiefstem Schlummer lag.

Am 23. Februar 1670 schloß Diony-
sius mit M i ch a e l T h u m b aus B r e-
genz, welchen er zum Leiter des Baues
ausersehcn hatte, einen Vertrag. Diese
Thumb oder Thum bildeten eine weitver-
zweigte Baumeisterfamilie und einzelne
Glieder derselben erfreuten sich eines be-
rühmten Namens. Unser Michael Thumb
ist wohl identisch mit dem gleichnamigen Ar-
chitekten, welcher die 1682 begonnene Kirche
auf dem Schöncnbcrg bei Ellwangeu erbaute.
Der Meister meinte, um das Gebäude nach
dem ihm vorgclegtcn Risse bis Michaeli
unter Dach zu bringen, brauche er 18
Gesellen und Handlanger; mit diesen gehe
er morgens um vier Uhr au die Arbeit,
welche er mit zweimaliger Unterbrechung
von je einer Stunde bis acht Uhr abends
fortführcn wolle; für jeden Arbeiter soll
man ihm pro Tag 24 kr. geben, das
wäre von der Woche nach Ostern, in
welcher der Bau begonnen werde, bis
Ende September 1000 sl.; er, der Meister,
stelle seinen Lohn je nach Befund hoher
Diskretion des Prälaten anheim.
An einem Tage des Augusts 1670
legte der Prälat den Grundstein und
senkte mit demselben folgende Inschrift in
lateinischer Sprache in die Tiefe:
„Der heiligsten Dreifaltigkeit, der lieb-
reichen und wunderbaren Jungfrau und
Mutter Maria, den hh. Patronen dieser
Stätte, Joseph, Joachim, Anna, Augustin
und Georg, den Engeln des Himmels
insgesamt schenkt, widmet und weiht bei
der Grundsteinlegung diese Kirche, welche
nach Niedcrlegung der früheren mehr
als sieben Jahrhunderte (sic) alten von
Grund ans nengebaut ist, in der größten
Liebe, deren er fähig ist, Dionysius des
hl. römischen Reichs Prälat in Ucberein-
stimmung mit all' seinen Milkanonikern
und den Kanditateu des Klosters der
seligsten Jungfrau in Wettcnhansen, im
Jahre des Heils 1670 am — Tag des
Monats August, da dem christlichen Erd-
kreise verstehen Papst Klemens X. und
Kaiser Leopold I. Es segne uns Maria
mit ihrem milden Kinde."
Indes so schnell, als der Baumeister
gerechnet hatte, kam der imposante Bau
doch nicht zu stände. Am 227 November
1671 schreibt der Prälat: „Unsere Bauten
werden bald vollendet sein, auf die neue
 
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