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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Rapsilber, Maximilian: Ernst Moritz Geyger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0010

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ERNST MORITZ GEYGER.

k^as Kunstschaffen von Ernst
Moritz Geyger steht nun schon
seit einem halben Menschen-
alter in üppigem Flor, Blüte
^Tca'oSS an ^'u^e entsprang aus einem
«/röllnSfafc genialen Gestaltungstrieb und
reifte eine Fülle herrlicher Frucht an der tos-
kanischen Sonne. Und doch ist noch niemals
im Zusammenhang über dieses reich entfaltete
Künstlerleben berichtet worden. Das kann
Wunder nehmen in unseren hochgradig pub-
lizistischen Zeitläuften. Ebenso haben wir hier
vorliegend den ersten Versuch, das Werk
Geygers in den Hauptzügen bildlich zu ver-
anschaulichen. Geyger gehört offenbar nicht
zu den Künstlern, die sich schnellfertig an
die Öffentlichkeit drängen. Er arbeitet nicht
für Ruhm und Gewinn, sein Schaffen ist
innerstes und eigenstes Erleben, und hat
sich die treibende Kraft im vollendeten Werk
ausgelebt, so ist damit des Meisters Anteil-
nahme erschöpft. Nicht das Werk an sich
und nicht die Begierde nach dem Effekt,
den es auf andere macht, sondern die Arbeits-
freude, das ringende Werden, das peinigende
Zweifeln und das heisseratmende Bezwingen
der idealen Aufgabe ist der Kern des künst-
lerischen Vollbringens. Auf der Höhe des
ersten Horizontes türmen sich tausend andere
auf, und ach, das Menschenleben ist so kurz
und die Fülle der Naturwunder, die es zu
meistern gilt, so gewaltig, dass der starke
und schöpferisch begabte Mensch niemals
selbstgefällig auf den durchmessenen Weg
zurückschaut. So mochte es wohl kommen,
dass Geyger zehn Jahre und länger keine
Berliner Ausstellung beschickte, so sehr sich
auch die Schöpfungen in seiner Werkstatt
mehrten. Dann aber auf einmal griff es
mächtig von aussen her in sein stilles Reich.
Der Deutsche Kaiser erwarb den Bogen-
schützen für die Gärten von Sans-Souci, gab
den ersten Silber-Spiegel für die Kaiserin
in Auftrag, die Stadt Berlin eignete sich
den Marmorstier für den Humboldthain
an, der preussische Staat forderte die ideale
Frauen-Büste für die Berliner National-Galerie.

Nun stand der Künstler im hellsten Licht
der Öffentlichkeit, nun war es endlich an der
Zeit, das Werden und Wachsen und die Ziele
dieser wundervoll gereiften Kraft des Näheren
darzutun.

Geyger hat die Berliner Akademie be-
sucht, und in den Lehrklassen befinden sich
Zeichnungen von ihm als Muster Berliner
Art. Trotzdem ist der Künstler nicht der
Berliner Schule gutzuschreiben, er fügte sich
niemals in eine der landläufigen Formeln
oder Überlieferungen, auch hatte kein Meister
bestimmenden Einfluss auf ihn. Das kam
daher, weil ihn ein eingeborenes Etwas
warnte vor dem Einlenken in die akademische
Heerstrasse, weil er schon eine in sich
geklärte Persönlichkeit war, als er in die
Akademie eintrat. Ein prädestinierter, per-
sönlicher Wesenszug ward ihm von der
Allmutter Natur mit auf den Weg gegeben;
ehe er mit Menschen sprechen konnte, also
schon in der Wiege, verständigte er sich
mit der Tierwelt, ein ursprüngliches Genie
machte ihn zum Tier-Plastiker. Seine anderen
Formenkreise sind eine Erweiterung des
ersten. So war und wurde immer wieder
die Natur seine Lehrmeisterin und aus diesem
ewig jungen Born schöpfte er die Zauber-
kraft der reinen Individualität, die nicht aus
Zeit, Umgebung oder Schule, sondern allein
aus sich selbst zu erklären ist. Um das
Werk Geygers webt ein feiner Renaissance-
Nimbus. Man könnte meinen, er wäre bei
Donatello in die Schule gegangen. Doch
genau betrachtet, ist damit die Deutung von
Geygers Art nicht erschöpft, vielmehr muss
gesagt werden, dass er in demselben geistigen
und sonnigen Milieu heranreifte, wie die
alten Meister, dass in Florenz dieselbe Natur
auch ihn anzog und erzog. Der gewaltige
Einfluss der toskanischen Kunst warf ihn
nicht um, er assimilierte die Vorbedingungen
seines Schaffens mit der alten Kulturblüte
und die Berührung mit der echtesten und
edelsten Renaissance stärkte und veredelte
die ihm innewohnende lautere Individualität.
Wollen wir also den Entwicklungsfaden
 
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