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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Rapsilber, Maximilian: Ernst Moritz Geyger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0012

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3Ö2

M. Rapstiber—Berlin :

BÜSTE IDEAL- FRAUEN - KO PF. TON-STUDIE.

Jahre später völlig- fallen Hess. Nicht etwa
aus mangelnder Begabung, sondern in der
Erkenntnis, dass sein prägnantes Formen-
Talent sich freier und feiner in den Künsten
der reinen Form, in der Graphik und Plastik,
entfalten könne. Die Ursprünglichkeit seiner
Beanlagung trat auf der Kunstschule wie
auf der Akademie sofort zu Tage. Dort
war es das Wandtafel-Zeichnen vor grossem
Auditorium, welches eine ungewöhnliche
Formenkenntnis offenbarte und hier die
intuitive Formenkonstruktion, die bis auf
heute seine Stärke geblieben und die gegen
den knochenlosen Impressionismus unserer
Tage markant absticht. In Berlin war
Geyger Schüler von Thumann, Michael und
Meyerheim. Es ist selbstverständlich, dass
er mit dem Tiermaler Meyerheim Fühlung
suchte, er fand bei ihm gewiss auch Auf-
munterung und Förderung, so sehr auch die
Art beider Künstler auseinandergeht. Meyer-
heim gipfelt in der witzigen und witzelnden
Pointe der Tierdarstellung, Geyger geht mehr
auf den Humor und die Launen der formen-
bildenden Natur, nie aber tastete er einem
anthropomorphen Witz zu Liebe die dem

Tier innewohnende Würde an. Nach Vollen-
dung der akademischen Studien betätigte
sich der Künstler drei Jahre vorwiegend als
Maler, bis er sich 1885 auf die Graphik ver-
legte und nunmehr rein als Autodidakt seine
weitere Entwicklung anstrebte. Dass er
als Maler für seine Zeit nicht ohne Bedeutung
gewesen, beweist die goldene Medaille, die
ihm 1886 auf der Münchener Ausstellung
zuteil wurde. Natürlich dominierte auch in
der malerischen Epoche das Tierbild. Da
sehen wir als eine Jugend-Arbeit aus dem
Jahre 1880 den Bacchus-Knaben mit dem
jungen Löwen - Gespann und dem Kinder-
Gefolge, ein Werk, in welchem sich eine
eigenartige Frische ausspricht. Aus dem
Jahre 1883 datieren dann einige Stillleben,
so die Stücke mit Lachs und Pute und mit
Reiher und Ente, die in der Zeichnung
namentlich die Form bis in die kleinste
Struktur klarlegen. Künstlerisch noch höher
steht der Kuhstall mit dem greifbar präch-
tigen Viehbestand. Dazu gesellt sich im
folgenden Jahr eine Reihe von Porträts,
unter welchen diejenigen einer Dame im
Reitkleid und der Schwester des Künstlers
damals sehr bemerkt und gerühmt wurden.
Doch da die Malerei nur Episode ge-
wesen, so beansprucht sie im Lebenswerk,
wie es uns heute vorliegt, keine integrierende
Wichtigkeit.

Aus einem mehr und mehr überwiegenden
zeichnerischen Studienfleiss erwuchs bei
Geyger naturgemäß das graphische Kunst-
werk. In schnellen Pulsen strebt er auf dem
neuen Gebiet vorwärts, sofort erfasst er die
graphischen Probleme nach allen Richtungen
hin. Nachdem er den Kreis der Möglich-
keit durchlaufen, in seinen beiden grossen
Platten die Meisterwerke der Zeit vollendet
hat und nun ersah, dass ein Hinausstreben
und Hinausschreiten über das letzt erreichte
Ziel nicht mehr möglich ist, stellte er nach
einem Jahrzehnt intensivester Betätigung
auch die Graphik ein. Nach Vollendung des
Botticelli-Stiches und der grossen Affen-
Disputation hat Geyger kein Blatt mehr
radiert oder gestochen und darüber sind
mittlerweile zehn Jahre vergangen. Es geht
daraus hervor, dass wir es hier mit einem
 
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