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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

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Widmer, Karl: Städtische Plätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0127

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478

K. Widmer—Karlsruhe:

JAN TOOROP—KATWYK.

Gezeichnete Studie: Kommunikantin.

sich alle Arten städtischer Plätze nach zwei
Hauptgruppen scheiden. Die einen dienen
mehr oder weniger dem Luxus, neben
der Verschönerung aber auch der Gesund-
heit und der Erholung. Es sind die öffent-
lichen Anlagen, bei denen neben dem Ar-
chitekten dem Gärtner eine Hauptrolle zu-
fällt. Die andern verdanken ihre Entstehung
in erster Linie den Bedürfnissen des Ver-
kehrs. Es sind die städtischen Plätze im
eigentlichen architektonischen Sinn. Von
diesen soll hier die Rede sein. Während
für die gärtnerischen Anlagen eine gewisse

Ruhe und Abgelegenheit vom Lärm
der Grossstadt ein Vorzug ist, emp-
fangen die letzteren ihre Bedeutung
gerade als Sammel- u. Kulminations-
Punkte des geschäftlichen und des
geselligen Strassenlebens: als Markt-
plätze, als Plätze vor Bahnhöfen,
Postgebäuden, Theatern, Nischen,
Rathäusern, als Kreuzung wichtiger
Verkehrsadern. Glorreiche Beispiele
dieser Art sind San Marco, das Herz
von Venedig, wo Dom, Rathaus,
Kaufhallen und Landungsplatz in
grossartiger Konzentration auf einen
Punkt vereinigt sind, oder die Grande
Place in Brüssel, um von zahllosen
andern mehr oder minder berühmten
zu schweigen. Die Anziehungskraft
eines solchen Platzes dirigiert auch
den Korso der fremden und ein-
heimischen Müssiggänger hierher.
Hier ist der Schauplatz öffentlicher
Vergnügungen, festlicher Demon-
strationen, hier der natürliche Boden
für die Errichtung öffentlicher Denk-
mäler. Denn hier spricht inmitten des
gedrängtesten Lebens und Treibens
der Ruhm am vornehmlichsten zum
Volk von den Taten grosser Männer,
von den Werken der Künstler, von
bürgerlichem Gemeinsinn und fürst-
licher Kunstliebe. — In seiner prak-
tischen Bestimmung liegen die Be-
dingungen der ästhetischen Wirkung
eines öffentlichen Platzes. Die Ein-
heit von Form und Wesen ist auch
hier Fundamental-Gesetz, wie überall
in der Kunst, in der hohen wie angewandten.
Ein solcher Platz ist ein Stück Architektur:
eine erweiterte Strasse. Daraus ergeben sich
schon gewisse Grenzen der Ausdehnung in
die Weite. Das richtige Verhältnis von Höhe
und Breite ist ein wichtiger, viel vernach-
lässigter Faktor. Ist der Platz zu weit, so
geht die geschlossene Raumwirkung ver-
loren. Die den Platz abschliessenden Monu-
mentalbauten, die doch sogut dazu gehören
wie der Boden dazwischen, schrumpfen in
nichts zusammen. Es bleibt nur die leere
Fläche übrig. Die Alten hatten dafür einen
 
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