DER KLEIDERMACHER UND DIE ZEICHNERIN.
Ab und zu hörte man schon früher von dem
L seltsamen Menschen und Maler, von Otto
ttaas-Heye. Aber erst die Gewitter des Krieges
haben ihn in grellstes Blitzlicht getaucht, und
nUn steht er wie eine Palme im nordischen
Sturm, vor schwarz zerklüfteter Bergwand, vor
Zerrissenheit und irrem Suchen. Haas-Heye,
dem Glücklichen, war es gegönnt, immer ge-
rade das zu tun und zu unternehmen, wonach
Seine formfrohen Sinne begehrten. Er ging als
Künstler seine abgelegenen Wege. Er schuf
"tit Malersinn fremdartige Damenräume, die
mondäne Richtung im neuesten Kunstgewerbe
Seht zum Teil auf ihn zurück. Der Krieg end-
lich, der so viel ver-
borgen Keimendes
bloßlegte, brachte ihm
einen Strauß von
Gründungen auf ein-
mal, einen Kunst-Sa-
lon, einen Kunst-Ver-
lag, eine Schneider-
Werkstatt. Und alles
gedieh ihm unter der
Hand. Sein Mode-
haus „Alfred-Marie",
in einer undurchsich-
tigen Laune unver-
ständlich benannt, ist
unstreitig die feinste
und erfolgreichste
Werkstatt, die aus
den deutschen Mode-
bestrebungen hervor-
gegangen ist. Es liegt
nur an ihm, seiner
Laune, seinem Belie-
ben, ob der Salon,
wte eine Königin der
Nacht, nach dem Krieg
sich wieder schließen
S°H, oder ob er als
eine Zier der deut-
schen Schneiderei be-
gehen bleibt. Zu un-
tersuchen, warum ge-
rade „Alfred-Marie"
den Erfolg hatte, der
mst allen anderen
Kriegsgründungen auf
dem Modegebiet ver-
tagt war, hat wenig
^weck. Ein System,
modehaus » alfrei )-m a r1 K «
braunes seidenunterkleid,
wie's gemacht werden soll, läßt sich doch
niemals aufstellen. Haas-Heye hielt sich fern
von den Vereinen und Programmen, er hat
sich allein aufgestellt, er brauchte nicht mit
Vorträgen und Ausstellungen in den Städten
herumzuziehen, man kommt zu ihm. Die Frauen
unserer höchsten und reichsten Kreise fahren
bei ihm vor. Warum hat gerade er den Erfolg
wie eine reife Frucht gepflückt? Verstand er
vielleicht das Schneiderhandwerk besser, gründ-
licher als die anderen ? Er versteht sicher nur
die Feinheiten der Nadel und der Stoffe. Aber
vielleicht hat kaum einer sich so in die Welt
der weiblichen Kleidung hineinempfunden, so
die unfaßbaren Reize,
die doch das meiste
Gewicht haben, in
sich aufgenommen,
wie er. Ihm ist das
Kleid nicht eine Ge-
legenheit , bizarre
Färb- und Formen-
spiele zu verwirk-
lichen, eher könnte
man behaupten, er
spielt mit gekleideten
Frauen, schafft aus
dem Zusammen von
Mensch und Kleid in
endlosem Spiel mo-
dische Figuren. Und
das ist ja auch, was
die Frau liebt: Mit
sich spielen und spie-
len lassen, stets eine
neueErscheinungsein.
Keineswegs will sie
dem Künstler dienen
und seine persön-
lichen Ornamente
oder Linienführungen
zur Schau stellen.
Darum kann sie nur
zu einem Schneider
halten, der wohl mit
dem Frauenkörper zu
dichten weiß, ohne
ihn aber unschöpfe-
risch bleibt. Haas-
Heye spielt und dich-
tet mit Stoffen, Spit-
holzschn. a. offterdinger. zen, Nähten, Kleidern
blaue u. braune überrücke, und Frauen. Mit Pas-
°»ember 1915.
Ab und zu hörte man schon früher von dem
L seltsamen Menschen und Maler, von Otto
ttaas-Heye. Aber erst die Gewitter des Krieges
haben ihn in grellstes Blitzlicht getaucht, und
nUn steht er wie eine Palme im nordischen
Sturm, vor schwarz zerklüfteter Bergwand, vor
Zerrissenheit und irrem Suchen. Haas-Heye,
dem Glücklichen, war es gegönnt, immer ge-
rade das zu tun und zu unternehmen, wonach
Seine formfrohen Sinne begehrten. Er ging als
Künstler seine abgelegenen Wege. Er schuf
"tit Malersinn fremdartige Damenräume, die
mondäne Richtung im neuesten Kunstgewerbe
Seht zum Teil auf ihn zurück. Der Krieg end-
lich, der so viel ver-
borgen Keimendes
bloßlegte, brachte ihm
einen Strauß von
Gründungen auf ein-
mal, einen Kunst-Sa-
lon, einen Kunst-Ver-
lag, eine Schneider-
Werkstatt. Und alles
gedieh ihm unter der
Hand. Sein Mode-
haus „Alfred-Marie",
in einer undurchsich-
tigen Laune unver-
ständlich benannt, ist
unstreitig die feinste
und erfolgreichste
Werkstatt, die aus
den deutschen Mode-
bestrebungen hervor-
gegangen ist. Es liegt
nur an ihm, seiner
Laune, seinem Belie-
ben, ob der Salon,
wte eine Königin der
Nacht, nach dem Krieg
sich wieder schließen
S°H, oder ob er als
eine Zier der deut-
schen Schneiderei be-
gehen bleibt. Zu un-
tersuchen, warum ge-
rade „Alfred-Marie"
den Erfolg hatte, der
mst allen anderen
Kriegsgründungen auf
dem Modegebiet ver-
tagt war, hat wenig
^weck. Ein System,
modehaus » alfrei )-m a r1 K «
braunes seidenunterkleid,
wie's gemacht werden soll, läßt sich doch
niemals aufstellen. Haas-Heye hielt sich fern
von den Vereinen und Programmen, er hat
sich allein aufgestellt, er brauchte nicht mit
Vorträgen und Ausstellungen in den Städten
herumzuziehen, man kommt zu ihm. Die Frauen
unserer höchsten und reichsten Kreise fahren
bei ihm vor. Warum hat gerade er den Erfolg
wie eine reife Frucht gepflückt? Verstand er
vielleicht das Schneiderhandwerk besser, gründ-
licher als die anderen ? Er versteht sicher nur
die Feinheiten der Nadel und der Stoffe. Aber
vielleicht hat kaum einer sich so in die Welt
der weiblichen Kleidung hineinempfunden, so
die unfaßbaren Reize,
die doch das meiste
Gewicht haben, in
sich aufgenommen,
wie er. Ihm ist das
Kleid nicht eine Ge-
legenheit , bizarre
Färb- und Formen-
spiele zu verwirk-
lichen, eher könnte
man behaupten, er
spielt mit gekleideten
Frauen, schafft aus
dem Zusammen von
Mensch und Kleid in
endlosem Spiel mo-
dische Figuren. Und
das ist ja auch, was
die Frau liebt: Mit
sich spielen und spie-
len lassen, stets eine
neueErscheinungsein.
Keineswegs will sie
dem Künstler dienen
und seine persön-
lichen Ornamente
oder Linienführungen
zur Schau stellen.
Darum kann sie nur
zu einem Schneider
halten, der wohl mit
dem Frauenkörper zu
dichten weiß, ohne
ihn aber unschöpfe-
risch bleibt. Haas-
Heye spielt und dich-
tet mit Stoffen, Spit-
holzschn. a. offterdinger. zen, Nähten, Kleidern
blaue u. braune überrücke, und Frauen. Mit Pas-
°»ember 1915.