Lotte Nicklaß, eine neue Schwarzkünstlerin.
LOTTE NICK LASS BKKI.IN.
SCHERENSCHKITT »FLÜCHTLINGE« (TEIL)
Studien, in denen sich gleichermaßen schärfste
Beobachtung wie die Selbsterziehung zu tech-
nischer Virtuosität — eine glücklich vom Geigen-
spiel überkommene Einsicht — auslebte.
Die Einführung des neuentdeckten Talentes
in die Öffentlichkeit gelang ziemlich schnell,
besonders als der Verlag von Werckmeister in
Berlin fünf von ihren Figurenfriesen in Urbild-
größe veröffentlichte. Diese graziösen und
schmuckhaften Werke fanden ihr Publikum;
und als gar ein „Tanz einer Jüdin vor einem
ägyptischen König" von der Kaiserin angekauft
wurde, begann sich auch der äußere Erfolg lang-
sam einzustellen. Zeitschriften wie „Studio",
„Über Land und Meer", „Licht und Schatten",
„Arena" und „Daheim" brachten einzelne Wie-
dergaben ihrer Schnitte; diese selbst erschie-
nen auf verschiedenen Ausstellungen, und nam-
hafte Verleger übertrugen ihr die Bildausstattung
von Büchern. Ein größeres Werk über „Die
Entwickelung der Scherenbildkunst in drei Jahr-
hunderten" von Dr. Martin Knapp (Gelber Ver-
lag, Dachau-München) wird ihr die Stelle in der
Entwicklung dieser Kunst anzuweisen suchen.
Die Abbildungen dieses Heftes geben uns
zwar nicht den ganzen noch kurzen Werdegang
der Künstlerin, da sich die meisten ihrer Schöp-
fungen in Privatbesitz befinden; sie lassen
immerhin über ihre Eigenart keinen Zweifel.
Schon in einem der frühesten Schnitte (Abb.
S. 442), der in der zierlichen Verwertung pflanz-
licher Motive noch an die ältere Scherenkunst
anknüpft, verrät sich trotz der kleinen Ver-
schneidung am Hälschen der Figur das feinste
Gefühl für die Musik der Bewegung und den
Fluß der Linie, die ja allein die Elemente sind,
aus denen die Schwarzkunst ihre Wirkungen
aufbauen kann. Sieht Lotte Nicklaß nun zu-
439
LOTTE NICK LASS BKKI.IN.
SCHERENSCHKITT »FLÜCHTLINGE« (TEIL)
Studien, in denen sich gleichermaßen schärfste
Beobachtung wie die Selbsterziehung zu tech-
nischer Virtuosität — eine glücklich vom Geigen-
spiel überkommene Einsicht — auslebte.
Die Einführung des neuentdeckten Talentes
in die Öffentlichkeit gelang ziemlich schnell,
besonders als der Verlag von Werckmeister in
Berlin fünf von ihren Figurenfriesen in Urbild-
größe veröffentlichte. Diese graziösen und
schmuckhaften Werke fanden ihr Publikum;
und als gar ein „Tanz einer Jüdin vor einem
ägyptischen König" von der Kaiserin angekauft
wurde, begann sich auch der äußere Erfolg lang-
sam einzustellen. Zeitschriften wie „Studio",
„Über Land und Meer", „Licht und Schatten",
„Arena" und „Daheim" brachten einzelne Wie-
dergaben ihrer Schnitte; diese selbst erschie-
nen auf verschiedenen Ausstellungen, und nam-
hafte Verleger übertrugen ihr die Bildausstattung
von Büchern. Ein größeres Werk über „Die
Entwickelung der Scherenbildkunst in drei Jahr-
hunderten" von Dr. Martin Knapp (Gelber Ver-
lag, Dachau-München) wird ihr die Stelle in der
Entwicklung dieser Kunst anzuweisen suchen.
Die Abbildungen dieses Heftes geben uns
zwar nicht den ganzen noch kurzen Werdegang
der Künstlerin, da sich die meisten ihrer Schöp-
fungen in Privatbesitz befinden; sie lassen
immerhin über ihre Eigenart keinen Zweifel.
Schon in einem der frühesten Schnitte (Abb.
S. 442), der in der zierlichen Verwertung pflanz-
licher Motive noch an die ältere Scherenkunst
anknüpft, verrät sich trotz der kleinen Ver-
schneidung am Hälschen der Figur das feinste
Gefühl für die Musik der Bewegung und den
Fluß der Linie, die ja allein die Elemente sind,
aus denen die Schwarzkunst ihre Wirkungen
aufbauen kann. Sieht Lotte Nicklaß nun zu-
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