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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Fechter, Paul: Wege zur Kriegskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0493

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WEGE ZUR KRIEGSKUNST.

Mit Ausbruch des Krieges setzten nach den
ersten Tagen des Wartens die Versuche
ein, das ungeheuere Geschehen mit den Mitteln
der Kunst festzuhalten — obwohl das Unter-
nehmen eigentlich von vornherein paradox war.
Die Künstler rangen danach, die Sichtbarkeit
dieses Krieges hinzustellen, dessen ganzes Be-
streben darauf ausgeht, während seines Ablaufs
die Sichtbarkeit möglichst auszuschalten. Feld-
graue Uniformen, in der Erde verschwundene
Soldaten, Artilleriestellungen in Parks und
Wäldern und Gärten maskiert, daß niemand sie
sieht, Flieger, so durchsichtig hell, bräunlich,
wie ein vom Licht aufgelöstes Insekt, daß selbst
das geübte Auge sie kaum am hellen Himmel
zu entdecken vermag — das sind seine Mittel.
Er will nicht gesehen werden, will seine Sicht-
barkeit so weit als möglich vernichten, auf-
heben — gerade die Sichtbarkeit aber ist die
Materie des Künstlers. Und das Schlachtfeld
selbst dehnt er zu Dimensionen aus, deren Un-
geheuerlichkeit von vornherein jeder Bewäl-
tigung im künstlerischen Werke spottet.

Man wird einwenden: Gewiß, das ist wohl
eine Gesamttendenz, die da und dort, wie bei
der Leere des Kampffeldes, bei den Fliegern,
bei maskierten Stellungen, Erfolg haben und die
Sichtbarkeit mindern und herabsetzen kann.
Aber kein Mensch vermag zu verhindern, daß
ein Nahkampf, ein Sturmangriff, ein Bajonett-
kampf, Reitergefechte und dergleichen sich in
voller Sichtbarkeit abspielen und nach wie vor
dankbare Objekte der Kunst bleiben.

Der Einwand ist durchaus berechtigt; dagegen
aber ist zu sagen: diese Dinge sind wohl vor-
handen und ein integrierender Bestandteil auch
dieses Krieges; aber sie sind nicht das, was
seine Besonderheit, seine Einzigkeit ausmacht.
Alles das hat es schon anno 70 und früher ge-
geben; die Unterschiede auf diesem Gebiet
liegen nur in Äußerlichkeiten, in den Uniformen,
der Bewaffnung, allenfalls der Methodik des
Kämpfers. Was die Kunst hier finden kann,
besaß sie im Grunde immer: von der Alexander-
schlacht über Tizian und Lionardo bis zu Hod-
lers Schweizer Kriegsbildern trifft man es an.
Und das Spezifische dieses Krieges ruht doch
am Ende nicht nur im Feldgrau der Uniform,
oder in anderen militärtechnischen Neuerungen.
Seine Besonderheit besteht vielmehr — mit
den überall notwendigen Einschränkungen ver-
standen — darin, daß sein Wesentliches über-
haupt nicht mehr darstellbar ist, ja daß er selbst
zuletzt jeder Art der Darstellung spottet.

Dazu tritt im weiteren die Steigerung der
akustischen Seite des Kampfes. Dieser Krieg
ist weit mehr als frühere Artilleriekrieg: wesent-
liche Phasen seines Ablaufs, wie der Durch-
bruch bei Gorlice, die mißglückte September-
offensive der Franzosen, die Lorettokämpfe
sind durch Artillerieschlachten von nie geahnter
Furchtbarkeit bestimmt. Das tagelange Dröhnen
dieses Feuers, dieses noch in der Entfernung
nervenaufpeitschende Trommeln der schweren
Schallwellen gehört zum Wesentlichsten dieses
Krieges —und ist jederDarstellungunzugänglich.

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