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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Gleichen-Rußwurm, Alexander von: Deutsche Schönheit: eine Betrachtung
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Deutsche Schönheit.

ster zu Basel den Vorwurf des Erasmus kaum
verdient: sie lenke durch ihre Reize die Ge-
danken der Beter ab.

Die Malerschulen, die gegen Ende des Mit-
telalters in Böhmen und in Köln am Rhein ent-
stehen, bringen sinnige Anmut und Schwärmerei
in das Idealbild der jugendlichen Frauen und
Ritter. Ihr Schönheitsbegriff ist gesünder und
robuster als der italienische des 14. Jahrhun-
derts, aber sie verleugnen den Hang zu einem
überirdischen Schwärmen keineswegs und über-
setzen die Philosophie der Zeit in ihre Farben,
das Leben bestehe nicht im Genuß, sondern in
der Hoffnung auf bessere Zukunft. So wurde
das Ideal hager, blaß und mit feinen Gliedern
ausgerüstet. Noch Martin Schongauers Ma-
donna zeigt diesen Typus in ihrem nach unten
schmal abgerundeten Antlitz (15. Jahrhundert,
Martinskirche in Colmar).

Erst Hans Holbein, Lucas Cranach und Al-
brecht Dürer schufen ein germanisches Schön-
heitsideal, das der kirchlichen Kunst den ver-

quälten, gemarterten Ausdruck nahm und den
weltlichen Bildern etwas von jener Sinnen-
freude gab, die von der Renaissance, von jeder
Renaissance unzertrennlich ist. Dürers „Chri-
stus am Kreuz" zeigt den Erlöser als vollendet
schönen Menschen im Gegensatz zu der früheren
Auffassung, die Jammer und Leid körperlicher
Mißhandlung betont hatte. Albrecht Dürer hat
oft und viel über das Wesen der Schönheit
nachgedacht, das er dem deutschen Künstler-
tum erschließen wollte. Sein Merksprüchlein
lautete: „Und ich halt, daß die recht Wolgestalt
und Hübschheit unter dem Haufen aller Men-
schen begriffen sei. Welcher das recht heraus-
ziehen kann, dem will ich mehr folgen dann dem,
der ein neu erdichtet Maaß machen will".

Auf die Befolgung dieses tüchtigen und wah-
ren Wortes kommt es immer von neuem an.
Auch jetzt sollte es all denen vor Augen und
im Herzen stehen, die ein „schönes" das ist
des Ausdrucks wertes Motiv nur im außerge-
wöhnlichen, im perversen, im sensationellen
 
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