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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Jaumann, A.: Pflicht zur Kühnheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0109
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Pßicht zur Kühnheit.

aber recht dürftig. — Der allzu vorsichtige
Künstler sägt auch den Ast ab, auf dem er sitzt.
Seine Extraarbeit und sein Extrahonorar sind
nur berechtigt, wenn er Originaleres, persönlich
Wertvolleres bietet als eine Firma, die mit Kunst-
gewerbeformen handelt. Hier müßte eine klare
Trennungslinie gezogen werden, und der Künst-
ler müßte sich seiner Besonderheit bewußt sein.
Unsere großen renommierten Kunstgewerbe-
firmen füllen ihren Platz sehr gut aus. Wenn
die Künstler ihnen auf ihrem eigensten Gebiet
Konkurrenz machen, so schadet das höchstens
den Künstlern. — Wenn aber der Einzelkünstler
den Geschäften hinsichtlich der Preise Konkur-
renz machen will, so dürfte er sich damit einer
Selbsttäuschung hingeben. Bei wirklich lohnen-
den Aufträgen wird ihn das große Geschäft stets
durch irgendwelche Vorteile unterbieten können.
Nur wo der Künstler persönliche, kühne, eigen-

artige Arbeit anbietet, kommt das Geschäft mit
seinem umständlichen Apparat nicht mit.

Indirekt wird sich auch die Kühnheit beloh-
nen und den Verdienst günstig beeinflussen.
Eigenart schafft Namen und der Künstler wird
den berühmten Namen gern mitbezahlen. Heute
läßt sich bei den meisten Arbeiten höchstens
der Name des Vorbildes angeben. Die Persön-
lichkeiten haben sich in hohem Maße verwischt.

Für alle jungen Künstler aber ist es geradezu
beschämend, sie erst zur Kühnheit ermahnen
zu müssen. Das Alter klärt ab und beruhigt.
Was aber soll aus unseren jungen Kunstge-
werblern später werden, wenn sich ihre leise-
tretende Vorsicht noch mehr beruhigt und ab-
gekühlt haben wird? Ihr Blut wird vollends
einfrieren, es wird ein Kanon des guten Ge-
schmackes aufgerichtet werden und alles wird
im Akademismus erstarren......a.jaumann.

HILDA JESSER-WIEN. »BLUMENTOPF« WIENER WERKSTÄTTE.
 
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