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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Kurth, W.: Neue Stickereien von Erich Büttner und Elsa Hoffmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0123

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Neue Stickereien von Erich Büttner und Elsa Hoffmann.

e. buttner u. elsa hoffmann.

»abend« bes: k. avell1s—forst.

technische Besonderheilen. Ihr Material ist
die Farbe, und nur diese allein. Die Farbe als
Gefühlsoffenbarung, als Vision. Ihre Materie
ist kein Material. Zu den weiten Flächen des
„Winters" (Abb.S. 106) tritt das müde Violett
im Himmel und zur Reife des Herbstes das Gold
der Abendsonne im Kinderkörper. Die Farbe
als reines Gefühl; nicht daß etwa Natursenti-
rnentalität illustriert wäre, mit einer wirklichen
Abendsonne. Selbst wo dekorative Einheits-
prinzipien, wie in den Gegenstücken von „Mor-
gen" und „Abend", gleiche Farben im Himmel
wählen, bleibt der Farbklang der Landschaft
ausdrucksvoll und frei.

Wie der Musiker, der ein Thema aus Bach
phrasiert, das ihm nur Antakt ist, so folgt hier
die Stickerin dem Zeichner. Allerdings einer
Anregung, die in ihrer Entschiedenheit nur
sichere Ziele weisen kann. Denn das Linien-
ensemble mit den weichrunden und einhüllen-
den Kurven des „Abend" (Abb. S. 109) und das
Gegenspiel der munter ausfahrenden Kurven
des „Morgen" (Abb. S. 108) mußte auf dem
Resonnanzboden des Farbempfindens der Stik-
kerin voll anklingen.

Wie die Empfindung und Erfindung des Ent-
wurfs auch schon in Hinsicht der besonderen
Nachempfindung durch die Farbe sich modi-
fiziert, kann die Stickerei „Penthesilea" zeigen.
Als Thema von einer Radierung Büttners her
bekannt, spinnt die Radiernadel auf weiter und
gelockerter Fläche langsam all die reiche Welt
eines wildumstandenen Waldbaches in einen

verträumten Schlaf ein. Der Stickereientwurf,
so unkunstgewerblich — will sagen, so ohne
künftigen Materialzwang stilisiert — er auch
phrasiert ist, schafft dadurch gerade Stilecht-
heit des Stickereimaterials. Indem der Entwurf
nicht das wiederholt, was die Radiernadel
übermütig heranholte, nicht den Formengehalt
der Radierung aufzwingt, sondern nur das
Allgemeinempfinden für einen geschlossenen
Winkel anschlägt, kann das Farbempfinden
des Stickens den allgemeinen Stimmungswert
neuerleben und in ihremMaterial verdeutlichen.
Gewiß soll dem Material, dem Faden der Seide,
nicht eine bloß geduldete Rolle zugewiesen
werden. Daß die Materie aber die Empfindung
bestimme, daß man „materialgerecht empfinde",
gehört einem kunstgewerblichen Purismus an.
Darum geht Elsa Hoffmann in gewissem Sinne
ganz unzünftig als Schultechnik vor. Die Wahl
der einfachen Applikationsarbeit zeigt schon,
wie die Farbphantasie lebhaft zur Bildabrun-
dung hindrängt. Daneben steht der Plattstich,
und irgend ein Zierstich umsäumt die Appli-
kation. Die Mittel des Materials folgen Farb-
werten, ob er Vorder- oder Hintergrund, d. h.
ob er Farbstimme oder Farbecho ist. Hierin
lebt etwas von der Maltechnik Büttners. Durch
diese Freiheiten der Technik schließt sich auch
die Schablone aus, die die Wiederholung er-
möglichen würde. Daß diese Stickereien als
Entwurf wie als Ausführung einmalig sind, gibt
ihnen den Reiz freier Schöpfungen eines unge-
bundenen Spieltriebs.........dr. w. kurth.
 
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