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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Günther, Alfred: Bildnis-Büsten Paul Peterichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0181

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PAÜL PETERICH. »KINDERBÜSTE«

BILDNIS-BÜSTEN PAUL PETERICHS.

VON ALFRED GÜNTHER.

Diese drei Porträtbüsten Paul Peterichs, aus
der Fülle seines Werkes herausgehoben,
erschließen die Genealogie dieses Künstlers.
Sie ist in dem Herrenporträt aus Kalkstein bis
zu den Ägyptern, im Marmorbildnis Eckart
Peterichs zur Antike, in dem Frauenbildnis aus
Ton bis zur Renaissance zu verfolgen. Tradi-
tion der höchsten plastischen Kunst lebt in
diesem Bildhauer unserer Zeit. Sie rückt sein
Werk, seine Statuen, deren Monumentalität
nicht erst beim Überlebensgroßen beginnt, seine
Kleinplastik, die nie Spielerei wird, und seine
Porträts voll höchstem Ausdrucksreichtum, aus
der Unruhe moderner Stilentwicklung heraus.
Hier sind fast unzeitgemäße Meisterwerke leben-
digster Kunst.

In allen diesen Porträts ist Reinheit und Ent-
schiedenheit des Ausdrucks. Ausdruck ist Form.
Jedes Porträt hat sein eigenes bildnerisches
Gesetz. Der Künstler sucht nicht Stil, er sucht

Seele. — Er arbeitet mit den Wölbungen, Ver-
tiefungen, Einschnitten, Schattenkörpern eines
Gesichts als baute er an einer Architektur,
spannt Bögen, setzt Pfeiler, umschließt Hellig-
keiten. Alle diese Köpfe stehen auf einem
inneren Fundament. Dieser Plastiker kennt das
Geheimnis der Ruhe. Seine Frauenfiguren
wachsen wie Bäume, wie Säulen empor. Die
Angesichter seiner Bildnisse sind von Schweigen
und Stille erfüllt. Nirgend ist Erregung oder
Unruhe, nirgend aber auch Starrheit, Leere.
Alles ist ganz einfach, nur um seiner selbst
willen da. Alles Leben, alle Helligkeit, jeder
Schatten dringt aus einem inneren Kern.

Die Bildnisbüsten Peterichs sind mehr als
Porträts der Frau S., des Herrn W. Sie lösen
die Gesichter aus den Begrenzungen der Person,
suchen den reinsten Ausdruck eines Menschen-
antlitzes. Für Ähnlichkeit geben sie Mensch-
lichkeiten, Sinnlichkeiten lösen sie in Geist.
Eine eigenartig keusche Würde ist um diese
Steine. Die bildnerische Gebärde ist von männ-
licher Scheu.

Überall fühlt man hier das natürliche Ver-
hältnis des Künstlers zu seinem Material. In
seinem Tonmodell, das noch die formende Be-
rührung des Fingers zeigt, sieht man Voll-
kommenheiten, die sich bei jeder Wiederholung
in Stein oder Bronze wandeln müssen. Er kennt
das einfache Leben des Steins, seine Ausdrucks-
kraft in Härte, Farbe, Struktur. Er arbeitet mit
den spiegelnden Reflexen der Bronze. Niemals
findetmanbei ihm Unsicherheiten,Zufälligkeiten.

Er nimmt fast immer nur die Köpfe mit dem
Halsansatz und stellt sie auf einen schmalen
Sockel. So spricht die Architektur des Gesichts
ganz rein. Und schon die leiseste Drehung oder
Neigung des Kopfes ist ihm Mittel des Ausdrucks.
Peterichs Kunst ist durchaus dem Wesentlichen
zugewendet.

Er wölbt richtig und gut die herrliche Stirn
eines Mannes, gräbt die Augenhöhlen darunter,
bildet an starker Nase und hagerer Wange, bis
Licht aus schmalen Augen schaut, baut ganz
bewußt an diesem Kopf eines Denkers. Der
schöne Jünglingskopf seines Sohnes hat das reine
Kinn, die starke Nase antiker römischer Köpfe.
Der klassische Ausdruck gehört zum Wesen
dieses jungen Menschen, der in italienischer
Sonne aufwuchs. Daneben das zärtlich-stille
Leben des Frauenbildnisses aus Ton, dieser
innig-süße Lionardokopf.

Im Werk Paul Peterichs ist die Verschlossen-
heit des Norddeutschen, das Gedankliche einer
ernsten, grüblerischen Natur. Überall ist jene
schöne Sachlichkeit reifer Kunstwerke. Und der
Adel menschlicher Würde..............
 
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