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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Jaumann, Anton: Die Jagd nach dem Ausserordentlichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0207

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MARIA SINSTEDEN—ASPERDEN.

»SEIDENKISSEN MIT SEIDENSTICKEREI«

DIE JAGD NACH DEM AUSSERORDENTLICHEN.

Das Interesse der Menschheit schwankt nach
irgend einem noch nicht genauer formu-
lierten Gesetz zwischen den Extremen. In der
Modebewegung ist dies besonders auffallend:
Dem engen Rock folgt nicht etwa der normal-
weite, sondern der 7 Meter-Faltenrock. Der
großeHut wird entthront von der winzigenKappe.
Die Mode beschränkt sich aber durchaus nicht
auf das Kleid der Frau. „Man trägt" heuer
Weltschmerz, darauf folgt mit Sicherheit ein
sinnenfroher Realismus. Der Materialismus mit
seinem krassen Unglauben wird abgelöst von
Christian Science und franziskanischem Kinder-
glauben. — So geht es in der gesamten Geistes-
geschichte und nach diesem Gesetz allein lassen
sich einigermaßenProphezeihungen aussprechen.

Im Gebiet der „angewandten Künste" stehen
wir nun nach diesem Gesetz vor einem neuen
Ausschlag des Pendels. Was wir, in Architektur
und Kunstgewerbe, zuletzt gesucht haben, war
das Typische. Wir hatten großes Reinemachen
und machten einen tiefgreifenden Gesundungs-

prozeß durch. Die Bewegung ging vom Ge-
schminkten, Geputzten, Gefälschten auf das
Echte, Gesunde und Typische. Man suchte in
Bau-, Raumkunst und Geräten überall nach den
aus Material, Technik und Zweck hervorgehen-
den Urformen, nach den Bildungen, die eben
Material, Technik und Zweck am deutlichsten
und einfachsten ausdrückten. Aus dem Echten
und Einfachen zum Typischen und von da zum
Monumentalen, das war die Entwicklung, um
die sich alle vorwärtsstrebenden Kräfte mühten.
— Ehe diese Bewegung noch vollkommen ab-
geschlossen ist, kündigt sich schon die entgegen-
gesetzte Tendenz an: Die Suche nach dem
Außerordentlichen. Man findet den Typus
arm. Er läßt sich zwar ins Monumentale steigern,
aber auch dadurch wird er nur vergrößert, nicht
in sich reicher. Und unser Empfinden hat an
Bauten und Denkmalen eher zu viel an „Monu-
mentalität". Komplizierten Menschen, wie wir
nun einmal sind, kam das Einfache zwar zur
Erholung und Sammlung willkommen. Aber
 
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