Die Jagd nach dem Außerordentlichen.
auf die Dauer ist es uns eben zu einfach und
„ reizlos " und der künstlerische Gestaltungstrieb
findet, wenn die typischen Lösungen einmal
gefunden sind, kein Feld mehr zur Betätigung.
Was als Gesundung gedacht war, verfällt der
Langeweile und wird gehaßt.
So begann die Reaktion allmählich mit dem
Stöbern von Altertümern, man suchte mit Vor-
liebe nach Dingen, die abseits lagen von der
Hauptstraße der Kunstgeschichte. Die Sucht
nach dem Außerordentlichen äußert sich haupt-
sächlich in der Bevorzugung von Gegenständen,
die an sich eine bizarre Gestalt haben. Die
ehedem weggeschlossenen Musikinstrumente
müssen jetzt die besondere Note in den Raum
bringen. Wer wird es noch unternehmen, einem
Flügel rechteckige Form zu geben? Man ist
froh um die fremde Linie, die er in eine sonst
ausgeglichene Umgebung bringt. Es ist eine
förmliche Jagd entstanden nach solchen „fremd-
artigen Linien", die aber die Eigenschaft haben
müssen, daß sie aus einer ungewöhnlichen Sach-
lage hervorgehen. Unebenheiten des Terrains
werden nicht mehr gemieden, gestatten sie doch
reizvolle Disposition des Baukörpers, bizarren
Aufbau. — Selbst im Ornament, im malerischen
Schmuck ist die neue Richtung zu erkennen.
Das eigentliche Ornament, das aus einer for-
malen Idee symmetrisch und rhythmisch ent-
wickelte, ist höchst selten geworden. — Ich
will die neue Bewegung nicht in allen Veräste-
lungen aufzeigen. Nur auf die Farbe sei noch
hingewiesen. Was ist aus den klassischen Farb-
akkorden unserer Schulfarbenlehre geworden!
Heute gelten nur noch die apartesten Ver-
bindungen. Federschmuck der Wilden dient
als Anregung, aus der Kleidermode holt man
die seltensten Farbpaarungen für Zwecke der
Raumkunst. Man studiere daraufhin mal neuere
Stoffkarten oder Schaufensterauslagen! Das
Gewagte, Fremde ist hier Trumpf und wird es
nach dem Kriege, wenn erst wieder Stoffe und
Farbe genügend vorhanden, in noch viel höherem
Grade werden. — Was wird uns die „Jagd
nach dem Außerordentlichen" bringen? Eine
Vermehrung an Kunstgut, an künstlerischen Rei-
zen auf jeden Fall. Denn der Typus der Mate-
rial- und Zweckform wirkt auf die Dauer immer
leerer und hohler. Aber — das sei auch nicht
verschwiegen — eine Vertiefung bedeutet die
neue Tendenz noch lange nicht. Sie bewegt sich
auf der Oberfläche und sucht äußere Reize, a. j.
«II. Nov.-D«. 1018. 9»
auf die Dauer ist es uns eben zu einfach und
„ reizlos " und der künstlerische Gestaltungstrieb
findet, wenn die typischen Lösungen einmal
gefunden sind, kein Feld mehr zur Betätigung.
Was als Gesundung gedacht war, verfällt der
Langeweile und wird gehaßt.
So begann die Reaktion allmählich mit dem
Stöbern von Altertümern, man suchte mit Vor-
liebe nach Dingen, die abseits lagen von der
Hauptstraße der Kunstgeschichte. Die Sucht
nach dem Außerordentlichen äußert sich haupt-
sächlich in der Bevorzugung von Gegenständen,
die an sich eine bizarre Gestalt haben. Die
ehedem weggeschlossenen Musikinstrumente
müssen jetzt die besondere Note in den Raum
bringen. Wer wird es noch unternehmen, einem
Flügel rechteckige Form zu geben? Man ist
froh um die fremde Linie, die er in eine sonst
ausgeglichene Umgebung bringt. Es ist eine
förmliche Jagd entstanden nach solchen „fremd-
artigen Linien", die aber die Eigenschaft haben
müssen, daß sie aus einer ungewöhnlichen Sach-
lage hervorgehen. Unebenheiten des Terrains
werden nicht mehr gemieden, gestatten sie doch
reizvolle Disposition des Baukörpers, bizarren
Aufbau. — Selbst im Ornament, im malerischen
Schmuck ist die neue Richtung zu erkennen.
Das eigentliche Ornament, das aus einer for-
malen Idee symmetrisch und rhythmisch ent-
wickelte, ist höchst selten geworden. — Ich
will die neue Bewegung nicht in allen Veräste-
lungen aufzeigen. Nur auf die Farbe sei noch
hingewiesen. Was ist aus den klassischen Farb-
akkorden unserer Schulfarbenlehre geworden!
Heute gelten nur noch die apartesten Ver-
bindungen. Federschmuck der Wilden dient
als Anregung, aus der Kleidermode holt man
die seltensten Farbpaarungen für Zwecke der
Raumkunst. Man studiere daraufhin mal neuere
Stoffkarten oder Schaufensterauslagen! Das
Gewagte, Fremde ist hier Trumpf und wird es
nach dem Kriege, wenn erst wieder Stoffe und
Farbe genügend vorhanden, in noch viel höherem
Grade werden. — Was wird uns die „Jagd
nach dem Außerordentlichen" bringen? Eine
Vermehrung an Kunstgut, an künstlerischen Rei-
zen auf jeden Fall. Denn der Typus der Mate-
rial- und Zweckform wirkt auf die Dauer immer
leerer und hohler. Aber — das sei auch nicht
verschwiegen — eine Vertiefung bedeutet die
neue Tendenz noch lange nicht. Sie bewegt sich
auf der Oberfläche und sucht äußere Reize, a. j.
«II. Nov.-D«. 1018. 9»