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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Hirsching, August: Verzicht auf den Naturalismus, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0216

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Verzicht auf den Naturalismus.

essanter Linienführungen den Künstler fesselte.
— Wir sind nun einmal über das Zeitalter hin-
aus, wo jedes Bild auch ein Geschichtchen er-
zählen sollte und wo man alles in einer behag-
lichen, breiten, übrigens sehr bequemen Art
gleich deutlich, gegenständlich klar und sichtbar
„ausgefummelt" hat. Daß diese Art von Ma-
lerei zum mindesten ebenso verlogen ist, wie
die, bei welcher man alles, dem Gegenstand,
Inhalt und der Farbe nach, auf den Kopf ge-
stellt sieht, leuchtet aber vielen unserer lieben,
durch solch eine brave und saubere Malerei
verbildeten Zeitgenossen wenig ein.

Was ist überhaupt letzten Endes Zweck der
Kunst? Sind es rein ästhetische Gesichts-
punkte, die schließlich in dem vielfach falsch
verstandenen und oft mißbrauchten „l'art pour
l'art" endigen müßten, oder sind es die in aller
wahren Kunst enthaltenen ethischen, erziehe-
rischen Werte, die das Letzte und Wesentliche
sind? Ich glaube an das Letztere.

Wir wissen es heute wieder besser, als vor
1914, was die Kunst will. Waren es damals

vielleicht vielfach spielerische Kräfte, die mit
in die Erscheinung traten, so wissen wir es
heute wieder ganz genau: Zweck aller ernsten
und wahren Kunst ist: Erlösung. Erlösung
von Erdenschwere, von den niederziehenden
Bleigewichten des Daseins zur freien Entfaltung
eines ungetrübten, frohen Seelenlebens, zur
Befreiung des Seelischen, der Idee vom
menschlichen Tierkörper.

Mit welchen Mitteln der Kunst dies „Ding an
sich" erreicht wird, bleibt vollkommen gleich-
gültig. Daß das rein Ästhetische, der Schön-
heitsgedanke allein dazu nicht ausreicht,
wissen wir heute besser denn je. Auch dämo-
nische Kräfte, dunkle Gewalten können dabei
fördernd wirken, sofern nur die Seele ihrem
Übergewicht nicht unterliegt. Goya, Michel-
angelo, Rubens, Delacroix, auf literarischem
Gebiet Zola, sind nur ein paar Beispiele.

Nur muß eben der befreiende, der ethische
Gedanke stets über dem Dämonischen stehen.

Das allerdings sollten auch die Jünger des
Expressionismus nie außer Acht lassen. . a. h.

architekt f. fuss z. z. im felde. »entwurf für einen boelcke gedenkstein«
 
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