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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Gleichen-Rußwurm, Alexander von: Ketzereien über Malerei: worte zur Anregung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0282

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Ketzereien über Malerei.

MARGARETE NAUMANN—DRESDEN. . »GEKNÜPFTE MARGARETEN SPITZE«

geführt — wenig zu ihnen stimmen. Fremd und
kalt würden die lieben alten Götter etwa auf
moderne Millionäreherabsehen. Wenn aber auch
der Stoffkreis und das knapp der Antike nach-
empfundene System der Dekoration für unsere
Welt nicht so schicklich ist, einiges wäre doch
von ihren Prinzipien zu lernen. Vor allem die
kluge Verwendung von Licht und Schatten für
das äußere und innere der Baulichkeiten, die
VerteilungderMassen.dasGegeneinanderwägen
der Werte. Vor den Werten haben die heutigen
Künstler immer noch zu wenig Respekt und
stehen darin den Mittelmäßigsten anderer Zeiten
nach. Jahrzehntelang baute man Häuser mit
einfältigen, ausdruckslosen Philistermienen, weil
man vor jedem kühnen, einfachen Vorsprung
zurtickbebte. Doch wie einKopf mitStumpfnase,
mit flachliegenden Augen und dick verquollenem
Nacken langweilig ist, während kühn geschwun-
gene Brauen und Nase, streng hervortretendes
Kinn mit ihrer scharfen Wirkung von Licht und
Schatten interessant erscheinen, ebenso sind
kühne, entschiedene Gliederungen, die ein
scharfes Verteilen von Licht und Schatten er-
möglichen, an Bauten vornehm und zweckent-
sprechend, bei Schmuckgemälden aber ein wich-
tiges Prinzip. Sogar wenn man bei hochgelegenen
dekorativen Malereien nicht sofort entdeckt,
was sie bedeuten, bieten gutverteilte Lichter
und Schatten wohltätige Abwechslung.

Um farbig zu wirken, ist es nicht genug grell
und bunt zu sein. Man könnte einwenden, daß
die reiche japanische Dekorationskunst, von der
Europa soviel Anregung empfing, wesentlich
flach gehalten sei. Japan, von Erdbeben viel
heimgesucht, mußte zeltartig leichte, zarte Häus-
chen bauen und sie mit entsprechender Zartheit
ausschmücken. Durch eine einzige Blumenvase,
durch ein einziges, wie zufällig an die Wand
hingeträumtes Blumenbild wird ein ganzes Inte-
rieur belebt und stimmt vorteff lieh zu der Blüten-
landschaft. Auch das vom Erdbeben bedrohte
Pompeji hatte kleine Häuser mit zierlichen
Schmuckmalereien. Ich habe den englischen
Versuch, Wohnräume mit zarten und ziemlich
flach gehaltenen Blumenmotiven und Farben-
variationen zu dekorieren, einmal den japanisch-
pompejanischen Stil genannt. Es läßt sich in
der Tat für das moderne Leben manches mit
diesem Stil gewinnen. Im allgemeinen sind
unsere Wohngebäude jedoch zu wuchtig dazu,
sie sind geschaffen um den Feindlichkeiten der
Natur zu trotzen, sicheren Schutz, tagelange
Zuflucht vor ihrer Unbill zu bieten. Wir müssen
uns lang und viel zu Hause aufhalten. Das
konstruktive Element ist der europäischen Denk-
und Schmuckweise angeboren, es ist ihr natürlich
und befriedigt sie. Um unsere Innenräume
wahrhaft wohnlich zu gestalten, gibt es ver-
schiedene Mittel, die Malerei zu verwenden:
 
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