Über dekorative Kunst.
}. L. GAMPP.
UMRAHMUNG
IN FEDER-
ZEICHNUNG.
über Sterne unb ^djnee
raufrijen biß ,§d)äume,
laufdjen biß <Eräunte,
Gimmel hjnab,
Gimmel Ijtnan,
etütge Bafrrt.
3nt Kmberlanb,
auf Jltnet unb ^anb
niarhfen bie (Bluten,
bie böfen, bie guten,
Gimmel fjinab,
Gimmel hinan,
Eroiße Balnt.
Paula Stljmtl.
der metaphysische Gehält kommt von selbst
wie eine Gnade in das große Kunstwerk.
Die überwiegende Mehrzahl unserer expres-
sionistischen Künstler würde bloß gewinnen,
wenn sie die grenzenlose Weite metaphysischer
Verstiegenheit verließe, mit der sie sich wie
mit einer Toga drapiert. Was nottut ist die
klare Besinnung auf dekorative Anforderungen.
Wo ihr Zwang wohltuend sich Geltung verschafft,
da liegen auch bereits Erfolge vor, die selbst
Gegner dieser Richtung dankbar anerkennen:
im schmückenden Wandbild, im Glasgemälde,
im Buchschmuck, in der Stickerei usw. Was
häufig als letzte Weltweisheit des Kubismus
gepriesen wird, ist doch nur eine geschmackvoll
raffinierte Tapete, die — in die Mauer ein-
gelassen — den zauberischen Reiz auslöst einer
leise dämmernden Welt, die fast verhaucht im
rhythmischen Spiel der Farben und Flächen.
Und was im Futurismus gellt, mag bisweilen
seinen angemessenen Platz finden an der Wand
eines Vergnügungslokals im Wirbel von Farben,
in den bunten Fetzen einer rasenden Welt, oder
in einer Bahnhofshalle, durch welche die Hast
des Tages drängt. Damit ist gewiß nicht die
Anregungskraft des Futurismus oder Kubismus
erschöpft; aber unleugbar sind ihre dekorativen
Tendenzen, die — frei entfaltet — prächtig sich
auswirken könnten, während sie meist stranden
durch Übergewicht an ungesundem „Gehalt",
manchmal in fast grotesker Weise. Und was
übrigbleibt, ist oft: ein halb erstickter, gelähmter
dekorativer Effekt. Ich sage nicht: das ist immer
so; aber immerhin handelt es sich heute bereits
um einen Typus. Und Schuld trägt jene Groß-
mannssucht, welche die engen Erfolge ver-
schmäht, um dem Unmöglichen nachzujagen.
Goethe sagt zwar: „Ich liebe den, der Unmög-
liches begehrt". Aber das „über die Kraft" in
der Kunst ist immer ein Versagen, quälende
Halbheit. Noch einmal: freie, freieste Bahn
dem Genie I Aber gibt es denn hunderte Genies?
Und brauchen wir nicht die soliden Talente?
Unsere Wohnungen und öffentlichen Gebäude
rufen nach guten Bildern, nicht nach Metaphysik,
nach gemalten Welträtseln und nach Entzifferung
}. L. GAMPP.
UMRAHMUNG
IN FEDER-
ZEICHNUNG.
über Sterne unb ^djnee
raufrijen biß ,§d)äume,
laufdjen biß <Eräunte,
Gimmel hjnab,
Gimmel Ijtnan,
etütge Bafrrt.
3nt Kmberlanb,
auf Jltnet unb ^anb
niarhfen bie (Bluten,
bie böfen, bie guten,
Gimmel fjinab,
Gimmel hinan,
Eroiße Balnt.
Paula Stljmtl.
der metaphysische Gehält kommt von selbst
wie eine Gnade in das große Kunstwerk.
Die überwiegende Mehrzahl unserer expres-
sionistischen Künstler würde bloß gewinnen,
wenn sie die grenzenlose Weite metaphysischer
Verstiegenheit verließe, mit der sie sich wie
mit einer Toga drapiert. Was nottut ist die
klare Besinnung auf dekorative Anforderungen.
Wo ihr Zwang wohltuend sich Geltung verschafft,
da liegen auch bereits Erfolge vor, die selbst
Gegner dieser Richtung dankbar anerkennen:
im schmückenden Wandbild, im Glasgemälde,
im Buchschmuck, in der Stickerei usw. Was
häufig als letzte Weltweisheit des Kubismus
gepriesen wird, ist doch nur eine geschmackvoll
raffinierte Tapete, die — in die Mauer ein-
gelassen — den zauberischen Reiz auslöst einer
leise dämmernden Welt, die fast verhaucht im
rhythmischen Spiel der Farben und Flächen.
Und was im Futurismus gellt, mag bisweilen
seinen angemessenen Platz finden an der Wand
eines Vergnügungslokals im Wirbel von Farben,
in den bunten Fetzen einer rasenden Welt, oder
in einer Bahnhofshalle, durch welche die Hast
des Tages drängt. Damit ist gewiß nicht die
Anregungskraft des Futurismus oder Kubismus
erschöpft; aber unleugbar sind ihre dekorativen
Tendenzen, die — frei entfaltet — prächtig sich
auswirken könnten, während sie meist stranden
durch Übergewicht an ungesundem „Gehalt",
manchmal in fast grotesker Weise. Und was
übrigbleibt, ist oft: ein halb erstickter, gelähmter
dekorativer Effekt. Ich sage nicht: das ist immer
so; aber immerhin handelt es sich heute bereits
um einen Typus. Und Schuld trägt jene Groß-
mannssucht, welche die engen Erfolge ver-
schmäht, um dem Unmöglichen nachzujagen.
Goethe sagt zwar: „Ich liebe den, der Unmög-
liches begehrt". Aber das „über die Kraft" in
der Kunst ist immer ein Versagen, quälende
Halbheit. Noch einmal: freie, freieste Bahn
dem Genie I Aber gibt es denn hunderte Genies?
Und brauchen wir nicht die soliden Talente?
Unsere Wohnungen und öffentlichen Gebäude
rufen nach guten Bildern, nicht nach Metaphysik,
nach gemalten Welträtseln und nach Entzifferung