Über dekorative Kunst.
letzter Geheimnis-
se. — Unendlicher
Platz ist für deko-
rative Kunst. Der
Impressionismus
konnte ihn nicht
ausfüllen; der Ex-
pressionismus kann
dies, wenn er will.
Dann kommt auch
von selbst der Stil:
Verankerung im
Leben der Gegen-
wart , Sicherheit
der Form, gleiche
Melodie in unend-
lichen Verschling-
ungen. — Auch im
Barockschlummer-
ten Kräfte der Mo-
numentalität , die
kühn von seinen
genialenVertretern
gehoben und aus-
gewertet werden.;
Aber die strotzen-
de Fülle der Barockkunst, die zumal in katho-
lischen Ländern überwältigend uns entgegen-
tritt, ist nichts anderes als großartige Dekora-
tion mit verblüffendem Geschick für Wirkung,
mit instinktiver Kühnheit innerhalb der Formel-
gebundenheit. Architektur, Plastik und Malerei
wandeln in unendlichen, stets neu erklingenden
Variationen die Themen ab, welchedie Zeit stellt.
Bisweilen scheint es, als ob der Expressionis-
mus dieses will; bisweilen wieder, als ob er
eine religiöse Höhen- oder Tiefenkunst für kleine
erlesene Kreise sein möchte. Aber das sind
schließlichnur scheinbare Widersprüche. Gerade
auf dem breitesten Boden der Volkstümlichkeit
JOSUA L. GAMPP—BERLIN. FEDERZEICHNUNG >BUCHSCHMUCK«
und Lebens verwur-
zelungkönnen Wer-
ke aufblühen und
ausreifen: voll edel-
ster Sonderart. Es
ist aussichtslos
Künstlern zuzure-
den ; sie werden
schließlich immer
das tun, was sie zu
müssen wähnen.
Aber es ist wohl
erlaubt, immer und
immer wieder da-
rauf hinzuweisen,
daß es sich nicht da-
rum handeln kann,
die ganze ■ Schar
von Talenten gerin-
geren Grades zu
überstiegen en Ver-
suchen aufzupeit-
schen, derenMißlin-
gen keinem frommt.
Und jedenfalls darf
auch der Kunst-
schriftsteller als Zuschauer nicht Purzelbäume
verlangen, bei denen sich der Turner über-
schlägt und verwundet. In aller Bescheiden-
heit sei gesagt: ein weites, dankbares Feld
dekorativer Kunst liegt offen. Kommet und
schmücket unser Leben I Wir hungern darnach!
Und wenn Ihr naht, so ist dies keine Erniedrigung,
keine Selbstverleugnung, sondern Leistung
dessen, was die Künstler aller Zeiten taten,
ohne dadurch zu verlieren. Und wenn Ihr dann
höher fliegen könnt j wer will es Euch verwehren ?
Oder ganz deutlich gesprochen: Der Expres-
sionismus kann seinem Wesen nach durchaus
die dekorativen Bedürfnisse befriedigen, die
319
letzter Geheimnis-
se. — Unendlicher
Platz ist für deko-
rative Kunst. Der
Impressionismus
konnte ihn nicht
ausfüllen; der Ex-
pressionismus kann
dies, wenn er will.
Dann kommt auch
von selbst der Stil:
Verankerung im
Leben der Gegen-
wart , Sicherheit
der Form, gleiche
Melodie in unend-
lichen Verschling-
ungen. — Auch im
Barockschlummer-
ten Kräfte der Mo-
numentalität , die
kühn von seinen
genialenVertretern
gehoben und aus-
gewertet werden.;
Aber die strotzen-
de Fülle der Barockkunst, die zumal in katho-
lischen Ländern überwältigend uns entgegen-
tritt, ist nichts anderes als großartige Dekora-
tion mit verblüffendem Geschick für Wirkung,
mit instinktiver Kühnheit innerhalb der Formel-
gebundenheit. Architektur, Plastik und Malerei
wandeln in unendlichen, stets neu erklingenden
Variationen die Themen ab, welchedie Zeit stellt.
Bisweilen scheint es, als ob der Expressionis-
mus dieses will; bisweilen wieder, als ob er
eine religiöse Höhen- oder Tiefenkunst für kleine
erlesene Kreise sein möchte. Aber das sind
schließlichnur scheinbare Widersprüche. Gerade
auf dem breitesten Boden der Volkstümlichkeit
JOSUA L. GAMPP—BERLIN. FEDERZEICHNUNG >BUCHSCHMUCK«
und Lebens verwur-
zelungkönnen Wer-
ke aufblühen und
ausreifen: voll edel-
ster Sonderart. Es
ist aussichtslos
Künstlern zuzure-
den ; sie werden
schließlich immer
das tun, was sie zu
müssen wähnen.
Aber es ist wohl
erlaubt, immer und
immer wieder da-
rauf hinzuweisen,
daß es sich nicht da-
rum handeln kann,
die ganze ■ Schar
von Talenten gerin-
geren Grades zu
überstiegen en Ver-
suchen aufzupeit-
schen, derenMißlin-
gen keinem frommt.
Und jedenfalls darf
auch der Kunst-
schriftsteller als Zuschauer nicht Purzelbäume
verlangen, bei denen sich der Turner über-
schlägt und verwundet. In aller Bescheiden-
heit sei gesagt: ein weites, dankbares Feld
dekorativer Kunst liegt offen. Kommet und
schmücket unser Leben I Wir hungern darnach!
Und wenn Ihr naht, so ist dies keine Erniedrigung,
keine Selbstverleugnung, sondern Leistung
dessen, was die Künstler aller Zeiten taten,
ohne dadurch zu verlieren. Und wenn Ihr dann
höher fliegen könnt j wer will es Euch verwehren ?
Oder ganz deutlich gesprochen: Der Expres-
sionismus kann seinem Wesen nach durchaus
die dekorativen Bedürfnisse befriedigen, die
319