Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

DOI Artikel:
Gleichen-Rußwum, Alexander von: Vom Bühnenbild
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0391

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
im'

Vom Bühnenbild.

stoff abteilung, wiener werkstatte.

entwurf: prof. josef hoffmann.

sucht den Geist der Dichtung formgebend zu
gestalten, indem sie ihn weder nackt auszieht,
noch mit Füttern verhüllt.

Der Eindruck einer Frühlingslandschaft wird
zum Beispiel durch einen einzigen blühenden
Strauch stärker als durch die gemalte Wider-
gabe eines ganzen Panoramas, vorüberziehende
Wolken dürfen nicht so aufdringlich wirken,
daß der technische Bilderfolg den innerlichen
Aufbau der gesprochenen Szene vernichtet.

Die dramatische Kunst will mehr, als nur das
Auge oder nur durch das Ohr Geist und Herz
anzuregen, sie will den Menschen als Ganzes
ergreifen, wie sie den Menschen auch als Gan-
zes darzustellen hat. Das kann sie nur, indem
sie über die realistische Gebundenheit hinaus-
geht und auch im Bühnenbild realistische Werte
durch metaphysische ersetzt. Wenn wir da-
durch vom Impressionismus zum Expressionis-
mus kommen, kann es für das Bühnenbild zu
einem gesunden Fortschritt führen, dem freien
Lebensgefühl der Gegenwart und damit dem
naturgemäß sich formenden Stil entsprechend.

Bereichert durch die einende, gestaltgebende
Idee, verwandelt sich das realistische Bühnen-
bild in ein symbolisches, um das Geistige zu

veranschaulichen. Als es sich darum handelte
im Bühnenkunstwerk das Leben selbst mit allen
Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten möglichst
genau abzukonterfeien, scheiterte man an den
Grundbedingungen der Bühne, wo trotz allem
das „Bedeuten" über dem „Sein" stehen ge-
blieben ist. Heute, wo man mehr als realisti-
sche Wirkung durch das Bühnenbild erreichen
will, kann es gelingen. Denn das Bühnenbild
wird künstlerisch, sobald es stilisiert.

Für unsere Kulturentwicklung ist das Theater
weit bedeutungsvoller, als es bisher gewesen.
Es soll das Volk zum Bewußtsein erziehen, daß
es außerhalb des Alltags ein Schönes und Großes
gibt, wie auch ein Lustiges und Humorvolles.
Auf die Phantasie, die im realen Leben, dem
Zeitalter der Maschine und der kalten Rechnung,
zu kurz kommt, kann es befruchtend Einfluß
nehmen, wenn sich Bild und Wort in Eines zu-
sammenschließen, losgelöst vom nachahmenden
Abbild in freier künstlerischer Schöpfung.

ALEXANDER V. GLEICHEN-RUSSWURM.
*

Es ist immer ein Zeichen einer unproduktiven Zeit,
wenn sie so ins Kleinliche des Technischen geht,
und ebenso ist es ein Zeichen eines unproduktiven In-
dividuums, wenn es sich mit dergleichen befaßt. Goethe.
 
Annotationen