Über Matthias Grünewald.
Matthias ckCnkwa
LD. CHRISTUS AM KREUZ
aussen«!!.» »es isenhkimf.r ai.t
ars (um 1508-1511 entstanden).
Goethe, als großen deutschen Aussprecher der
Natur. Tellurisch stark beladen, ein schweres,
saturnisches Gemüt, ohne Goetheschen Sieg
über die Dunkelheiten, der Natur nicht erken-
nerisch gegenüberstehend, aber tiefer aus dem
irdischen sprechend, eine sehnende Erdstimme
von düsterer Pracht des Tones und ungeheurer
Fülle der Materialität; ein üppiger Mensch,
rauschend wie ein Wald von Schrecknissen und
klingend von letzten Lieblichkeiten der Erde.
Die Gotik stirbt in ihm. Der von Urzeiten her
dauernde Rausch Europas verdichtet sich in
ihm, um dann zu zerfliegen in der Helle des
humanistischen Tags. Nie mehr konnte Europa
nach Grünewald wieder trunken werden; es
»st, als hätte er alle Krüge der Dunkelheit aus-
geschlürft. Wege gehen von ihm zum Barock.
Aber der Barock erscheint neben ihm wie das
bloße geschriebene Ornament der Trunkenheit.
Der Barock hat die Ernüchterung Europas
heillos in sich, wenn er auch die Verpflichtung
zur Trunkenheit richtig empfunden hat. Wege
gehen aber auch von Grünewald zur jüngsten
Kunst, in der das Streben Europas aus dem
Nefas seiner allesberechnenden Nüchternheit
in gottberauschtes Dunkel vielleicht der ech-
teste, notwendigste Zug ist. Insofern lebt in
dem Zufall, der Grünewalds größtes Werk ge-
rade jetzt tief in deutsches Land und Begreifen
führte, eine erstaunliche Vernunft.
Nein, die Übersiedelung nach dem nun fran-
zösischen Colmar bedeutet nichts. Grünewald
wird uns unverloren sein. Er steht für alle
Zeiten unter den Leuchtfeuern deutscher, euro-
päischer Kunst, aus seinen Rätseln strahlend
mit der unangreifbaren Tatsächlichkeit weg-
weisender Gestirne und Wert setzender Men-
schen................. WILHELM MICHEL.
29
Matthias ckCnkwa
LD. CHRISTUS AM KREUZ
aussen«!!.» »es isenhkimf.r ai.t
ars (um 1508-1511 entstanden).
Goethe, als großen deutschen Aussprecher der
Natur. Tellurisch stark beladen, ein schweres,
saturnisches Gemüt, ohne Goetheschen Sieg
über die Dunkelheiten, der Natur nicht erken-
nerisch gegenüberstehend, aber tiefer aus dem
irdischen sprechend, eine sehnende Erdstimme
von düsterer Pracht des Tones und ungeheurer
Fülle der Materialität; ein üppiger Mensch,
rauschend wie ein Wald von Schrecknissen und
klingend von letzten Lieblichkeiten der Erde.
Die Gotik stirbt in ihm. Der von Urzeiten her
dauernde Rausch Europas verdichtet sich in
ihm, um dann zu zerfliegen in der Helle des
humanistischen Tags. Nie mehr konnte Europa
nach Grünewald wieder trunken werden; es
»st, als hätte er alle Krüge der Dunkelheit aus-
geschlürft. Wege gehen von ihm zum Barock.
Aber der Barock erscheint neben ihm wie das
bloße geschriebene Ornament der Trunkenheit.
Der Barock hat die Ernüchterung Europas
heillos in sich, wenn er auch die Verpflichtung
zur Trunkenheit richtig empfunden hat. Wege
gehen aber auch von Grünewald zur jüngsten
Kunst, in der das Streben Europas aus dem
Nefas seiner allesberechnenden Nüchternheit
in gottberauschtes Dunkel vielleicht der ech-
teste, notwendigste Zug ist. Insofern lebt in
dem Zufall, der Grünewalds größtes Werk ge-
rade jetzt tief in deutsches Land und Begreifen
führte, eine erstaunliche Vernunft.
Nein, die Übersiedelung nach dem nun fran-
zösischen Colmar bedeutet nichts. Grünewald
wird uns unverloren sein. Er steht für alle
Zeiten unter den Leuchtfeuern deutscher, euro-
päischer Kunst, aus seinen Rätseln strahlend
mit der unangreifbaren Tatsächlichkeit weg-
weisender Gestirne und Wert setzender Men-
schen................. WILHELM MICHEL.
29