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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Thoma, Hans: Friede...
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0330

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FRIEDE... Friede ist eines der Zauberworte,
das aus der tiefsten Sehnsucht der Men-
schenseele erwachsen ist. — Nach Frieden
schreit alle Kreatur aus dem Kampf ums Da-
sein heraus, in den sie seit ihrem Entstehen
verflochten ist. Vor dem Zauberworte Frieden
erheben mit heißem Flehen die vom Schicksal
in den Krieg hineingepeitschten Völker ihre
Hände. Sie beschwören den Weltenlenker mit
den sehnsuchtsvollen Worten: Herr, gib uns
Frieden! Die Welt kann ihn nicht gewähren.
— Friede, ohne daß Vertrauen ihn begleitet,
ist aber ein ebenso bitteres Wort wie der Name
Gott, wenn man nicht an ihn glaubt. Und leider
trauen wir dem Frieden nicht, der über uns
hereingebrochen ist, als wir zusammengebro-
chen machtlos am Boden lagen, als die ganze
Welt im Bunde gegen uns stand. — Aber es ist
geschehen, und für uns gibt es nur eine einzige
Frage: Was müssen wir tun, wie müssen wir
sein, wenn wir unser Selbst erhalten, es aus der

Erniedrigung wieder aufrichten wollen? Wir
müssen vor allem die Wahrheit anerkennen,
daß wir ein armes besiegtes Volk sind. — Dann
wollen wir aber nicht mehr allzuviel nachgrü-
beln, wie dies hat kommen müssen, wie dies
hätte verhindert werden können. — Der Samen
zu unserem Unglück ist wohl schon in die Ge-
schlechter längst vergangener Zeiten hineinge-
streut worden vom bösen Feind des Menschen-
geschlechtes. — Wir können nur in stillem
Dulden uns von dem Dorngeflecht des Unkrau-
tes wieder befreien und können so Platz schaf-
fen, daß der vom guten Säemann gestreute
Samen nicht erstickt werde. . . . Jetzt aber
müssen wir mehr als je die Starken an die Front
rufen, und der deutsche Michel muß beweisen,
daß er Kraft in den Knochen hat, die ihm auf-
erlegten Lasten zu tragen. Er soll nicht ver-
zweifeln, sondern seiner täglichen Arbeit sich
freuen, indem er sieht, daß sie ihn, wenn auch
langsam, wieder frei macht..... ha.ns thoma.

HILDE JESSER • WIENER WERKSTÄTTE. »TÜLLSTICKEREI«
 
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