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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Pfister, Kurt: Richard Seewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0049

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RICHARD SEEWA1.1)—MÜNXHEN.

GEMÄLDE I'ASSAU«

RICHARD SEEWALD.

VON KURT PFISTER.

Darbietung der Gemälde Richard Seewalds
überrascht durch Einfachheit des stoff-
lichen Anlasses, der in einfältiger Hingabe an
die Natur sich erfüllt. Während das graphische
Werk Vielheitlichkeit optischer und seelischer
Erlebnisse spiegelt — Szenen aus Bibel und
Krieg, Nöte Robinsons und des mit Franziskus
Pilgernden Hasen, Kämpfe der Amazonen, Ge-
bimmel großer Städte — geht die Malerei
durchaus auf naturhaften Antrieb zurück. Die
Äußerung: Landschaft, Stilleben, Tier.

Der stoffliche Anlaß ist keineswegs (heute
weniger denn je) gleichgültiger Zufall, sondern
Ijiittel zur Auslösung seelischen Erlebens. Über-
flüssig die Feststellung, daß er nur Anreiz und
Erregung bedeutet; ebenso wichtig die Einsicht,
daß er heutigen Künstlern (vielfach) als frucht-
bare Grundlage schöpferischer Verwirklichung
dient. — Alleiniger Wertmaßstab für Gesin-
?}Jng und Ausmaß der Begabung ist freilich
J^eg. Ziel, Richtung der Verwirklichung, kurz
gesagt die Form. Nun ist nicht zu verkennen,
Wl_e sehr das Werk Seewalds aller richtungs-
aßigen Einstellung widerstrebt, sei es zum

Impressionismus oder Expressionismus hin, oder
zu Akademie und Sezession. Er malt, unbe-
kümmert um Schlagworte und Strömungen der
Zeit, aber atmend in ihrer Atmosphäre, in hin-
gegebener Inbrunst: den verzweifelten Schrei
und das animalische Behagen der Tierkreatur,
keimende Fruchtbarkeit der Ackerscholle, auf-
schießende Fülle der Sonnenblume, wuchtende
Ballung alter Stadtarchitektur. Lebhaft erregte
Phantasie wird Sinnlichkeit in barocker Schwing-
ung der Umrisse, in drängenden Massen, ellip-
tischen Kurven, bunter Farbigkeit.

Seewald — der heute Dreißigjährige ist seit
vielen Jahren in München ansässig — ist, so
scheint es dem Rückschauenden, in eilender
Folgerichtigkeit seinen Weg gegangen. Die
ersten graphischen Blätter liegen etwa zehn
Jahre zurück. Die frühesten malerischen An-
läufe fallen in das Jahr 1914. Himmel und
Sonne der Tessiner Landschaft hat diese frühen
Versuche (Abb. S. 36) von mehr farbiger denn
malerischer Gesinnung, mehr flüchtig plakat-
haftem Wurf denn aufwühlender Belebung der
Fläche angeregt. Die rührend naive Gebärde
 
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