Wilhelm Lehmbruck f.
dieser jungfräulichen
Kunst in ihrer Ur-
sprünglichkeit zu ver-
stehen. Was den un-
geteilten Genuß der
Lehmbruckschen Fi-
guren beeinträchtigt,
ist eine gewisse Ma-
nier, die oft zu viel
Stimmung auf Kosten
der Form geben woll-
te, ist der innere Zwie-
spalt, der den einsam
mit sich Ringenden
und zu den letzten,
nicht darstellbaren
Zielen Strebenden
nicht zur vollgültigen
Ausdrucksmöglichkeit
seiner ihn verzehren-
den Leidenschaftlich-
keit gelangen ließ. —
Es ist jedoch keine Af-
fektation, daß Lehm-
bruck sich archaisie-
renden Stilformen zu-
wandle. Seine Natur
trieb ihn dazu. Seine
Akte sind von keu-
scherUnberührtheit u.
jungfräulicher Scheu,
sie sind traumhaft ge-
sehen, die Verkörpe-
rung von Sehnen,
Hoffen und Bangen,
von Rhythmus und
musikalischem Emp-
finden. Manche von
ihnen wirken fast kör-
perlos als seien sie in
einer anderen Welt
geboren, in der nicht
die Gesetze der Er-
denschwere, sondern
nur transzendentale
Schwingungen der
Seele gelten. — Vor
allem strömen seine
Mädchenköpfe einen
magischen Liebreiz
aus. In sich versun-
ken spiegeln sie in
zartem, kaum merk-
barem Lächeln ihre
reine Seele wieder,
die wehmutsvoll das
Glück in unendlicher
WILH. LEHMBRUCK \. PLASTIK »RÜCKBLICKENDE«
Ferne suchend still
dahindämmern wie
von lauen Winden
umfächelte Blüten. —
Diese Gestalten wir-
ken nicht wie aus Ton
geknetet oder in Stein
gemeißelt, man denkt
bei ihrem Anblick
nicht an die Materie,
sondern man nimmt
sie wie visionäre Er-
scheinungen hin, die
entmaterialisiert, aus
sich geworden, da-
stehen und durch
Blicke und Gesten
ihre geistigen Kräfte
kundtun. Und darum
diese Verzerrungen
und Verkrampfungen
der Formen, diese
ätherisch verzückten
Körper mit gar zu
langen Armen und
Beinen, diese Dreh-
ungen und Wendun-
gen, die alle zu Plastik
gewordeneAuf schreie
unerfüllten Sehnens
sind. — Am deutlich-
sten tritt dies wohl
in seinen zahlreichen
Zeichnungen und Ra-
dierungen zu Tage,
die den reinsten Nie-
derschlagseinerKunst
darstellen. Sie sind
der Beweis seiner si-
cheren Formbeherr-
schung, die er in der
Plastik manchmal ab-
sichtlich zur Hervor-
hebung des seelischen
Momentes negiert.
Lehmbrucks Radier-
ungen verzichten in
äußersterSparsamkeit
auf malerische Licht-
wirkungen , es sind
Kaltnadelblätter mit
nur leicht konturier-
ten Strichen, Gestal-
ten von unendlicher
Zartheit undschemen-
hafter Unberührtheit
darstellend. — Aber
dieser jungfräulichen
Kunst in ihrer Ur-
sprünglichkeit zu ver-
stehen. Was den un-
geteilten Genuß der
Lehmbruckschen Fi-
guren beeinträchtigt,
ist eine gewisse Ma-
nier, die oft zu viel
Stimmung auf Kosten
der Form geben woll-
te, ist der innere Zwie-
spalt, der den einsam
mit sich Ringenden
und zu den letzten,
nicht darstellbaren
Zielen Strebenden
nicht zur vollgültigen
Ausdrucksmöglichkeit
seiner ihn verzehren-
den Leidenschaftlich-
keit gelangen ließ. —
Es ist jedoch keine Af-
fektation, daß Lehm-
bruck sich archaisie-
renden Stilformen zu-
wandle. Seine Natur
trieb ihn dazu. Seine
Akte sind von keu-
scherUnberührtheit u.
jungfräulicher Scheu,
sie sind traumhaft ge-
sehen, die Verkörpe-
rung von Sehnen,
Hoffen und Bangen,
von Rhythmus und
musikalischem Emp-
finden. Manche von
ihnen wirken fast kör-
perlos als seien sie in
einer anderen Welt
geboren, in der nicht
die Gesetze der Er-
denschwere, sondern
nur transzendentale
Schwingungen der
Seele gelten. — Vor
allem strömen seine
Mädchenköpfe einen
magischen Liebreiz
aus. In sich versun-
ken spiegeln sie in
zartem, kaum merk-
barem Lächeln ihre
reine Seele wieder,
die wehmutsvoll das
Glück in unendlicher
WILH. LEHMBRUCK \. PLASTIK »RÜCKBLICKENDE«
Ferne suchend still
dahindämmern wie
von lauen Winden
umfächelte Blüten. —
Diese Gestalten wir-
ken nicht wie aus Ton
geknetet oder in Stein
gemeißelt, man denkt
bei ihrem Anblick
nicht an die Materie,
sondern man nimmt
sie wie visionäre Er-
scheinungen hin, die
entmaterialisiert, aus
sich geworden, da-
stehen und durch
Blicke und Gesten
ihre geistigen Kräfte
kundtun. Und darum
diese Verzerrungen
und Verkrampfungen
der Formen, diese
ätherisch verzückten
Körper mit gar zu
langen Armen und
Beinen, diese Dreh-
ungen und Wendun-
gen, die alle zu Plastik
gewordeneAuf schreie
unerfüllten Sehnens
sind. — Am deutlich-
sten tritt dies wohl
in seinen zahlreichen
Zeichnungen und Ra-
dierungen zu Tage,
die den reinsten Nie-
derschlagseinerKunst
darstellen. Sie sind
der Beweis seiner si-
cheren Formbeherr-
schung, die er in der
Plastik manchmal ab-
sichtlich zur Hervor-
hebung des seelischen
Momentes negiert.
Lehmbrucks Radier-
ungen verzichten in
äußersterSparsamkeit
auf malerische Licht-
wirkungen , es sind
Kaltnadelblätter mit
nur leicht konturier-
ten Strichen, Gestal-
ten von unendlicher
Zartheit undschemen-
hafter Unberührtheit
darstellend. — Aber