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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Frank, Willy: Neue Arbeiten von Dagobert Peche
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0091

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NEUE ARBEITEN VON DAGOBERT PECHE.

Beispiellos rasch zurückgelegt, hat ein Weg
von wenig Jahren diesen Künstler aus dem
Dunkel auf besonnte Höhen des Erfolges ge-
führt. 1913, bei der Tapeten-Ausstellung des
Österreichischen Museums, beachtete man ihn
zum ersten Mal. Sein Name bezeichnete starke
Entladungen eines unbändigen Schmucktriebes,
heftige Dynamik der Formen, barocken Über-
schwang der Linie, überströmendes Leben der
Phantasie. Heute ist er, der anfangs als
ausdrucküberladener Außenseiter erscheinen
mochte, in den Mittelpunkt des Wiener Kunst-
handwerks getreten, als Verdichtung und maß-
gebende Vertretung der dort lebenden Kraft,
soweit sie schmückt, anordnet, präsentiert.
Herausgehoben, doch keineswegsherausfallend;
charakteristisch umrissen, doch mit allen Linien
gefällig hinschmelzend in das bunte, reiche Ge-
samtbild der Neuwiener Kunst. Ein besonderer
Akkord in dieser heute noch mozartisch in-
spirierten Polyphonie der Begabungen j erkenn-
bar als abgeschlossenes Gebilde, aber stark ein-
bezogen in den symphonischen Zusammenhang.

190°. anläßlich der Pariser Weltausstellung,
schrieb Gustave Geffroy die folgende Charak-
• .r,V!tik: L'Allemagne n'a pas un goüt d'art bien
lailh et bien delicat, cela est certain; mais eile
a la v°lonte, eile al effort createur. C'est eile

flu, -— i ,

qui semble devoir, la premiere, faire profiter
l'industrie des decouvertes des artistes. L'Au-
triche se resume en l'esprit viennöis, aimable,
riant, eprisd'elegance et de feles legeres. Und
er fügte hinzu, Wien habe fast aus dem Nichts
einen Stil geschaffen; er möge allerhand
Schwächen haben, aber einen Vorzug besitze
er gewiß: den, Allgemeingut zu sein.

Das ist bis heutigen Tag Wiens großer Vor-
zug geblieben: Das Epidemische des formalen
Bemühens, die Allgemeinheit des formalen Be-

sitzes. Oder liegt es an unserer besonderen
reichsdeutschen Art des Sehens? Wir sehen
jeden Wiener Künstler vor allem determiniert
durch den Bestandteil Wien. So stark sich
Hoffmann und Prutscher, Wimmer und Strnad,
Peche und alle andern unterscheiden mögen,
wir sehen vor allem die Atmosphäre, die diese
Individualitäten bindet. Breit ist das gelegte
Fundament, allgemein und beherrschend die
Konvention, gesichert und wohlgenutzt das er-
oberte Formgut. Ton in Ton, fügen sich alle
Einzelnen zum Bild auf dem zusammenfassen-
den Grunde des Wiener Naturells und Lebens.
Das Auftreten der Individualität, das in Deutsch-
land fast nie ohne Schroffheit, ohne die eigen-
willig-heftige Kinnlinie der Energie erfolgt, ge-
schieht auf diesem Boden mit gewinnenden
Manieren. Es ist apart, nicht schneidend. Und
jede Individualität wandelt mit unbeirrbarer
Sicherheit die Grundthemen dieser örtlich ge-
bundenen Kunst ab, tritt auf als Entfaltung
einer neuen Seite des einen gleichbleibenden
Charakters. Deutsche Leistung wird daneben
immer irgendwie problematisch stehen, willens-
voller zwar, aber dafür auch stets in heimlichem
Kriege mit dem Geschmack, der Herrschaft
über die Normen des sinnlich einschmeicheln-
den Wohllauts ist. Ein Mangel, der von an-
derer Seite her sicher ein Vorzug ist. Nichts-
destoweniger ein Mangel, soweit nichts anderes
in Frage steht als die ausdrucksvolle Formung
der Gebrauchsdinge.

So bildet also in dieser Persönlichkeit die
künstlerische Gesamtheit „Wien" den vorzüg-
lichsten, entscheidenden Bestandteil. Bleibt
nun auszusondern, was ihr in eigenerer Weise
angehört. Ein allgemeines Merkmal dieser
Kunst ist die absolute Aufhebung jeder
Schwere, woher sie auch kommen möge.

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