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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Däubler, Theodor: Zur Entstehung der Modernen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0166

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7,ur Entstehtmg der modernen Kunst.

F.. M.E.NGERT-
DARMSTADT.
SCHEREN-
SCHNITT
»VARIETE«

die Durchsichtigkeit seiner Farben, besonders
bei Blumen, haben jedoch einen unauslösch-
lichen Eindruck in der Seele bester Künstler
hinterlassen.

Van Gogh malte Manifeste, Aufforderungen,
einen Stil zu erobern. Er riß sich sozusagen,
jedesmal wenn ihn der Dämon erfaßte, das
Hemd auf: ja er zerfleischte sich die Brust,
um sein Herz trotz allem, einer unverständigen
Welt öder Skeptiker zu schenken. Es war, als
wollte er aufschreien: da, das ist die Sonne!
Glaubt an die Sonne, seht sie doch, in eurer
eignen Brust mfißt ihr sie fühlen. Hört sie
schlagen, hört sie tönen: macht sie sichtbar,
daß sie über Meer und Berge glühe. Greift
ans Herz, und spendet, verschwendet euch.
Die Sonne, die in. euch ist, verlangts! Van Gogh
war ein Genie: es sollte überhört werden.

Gauguin wurde anfangs fast ebensowenig
verstanden, wie sein feindlicher Bruder, Freund,
aber auch Nebenbuhler van Gogh. Dieser war
der ungleich gewaltigere, folglich mußte vor-
läufig der andere siegen. Aber, Gottlob, daß
immerhin ein wirklicher Künstler Sieger über
seine Zeit, und nur augenblicklich über van Gogh
blieb! Auf ihn, Gauguin, geht ungemein viel
Stil unserer Tage zurück. Man betrachle Gau-
guin genau: in ihm erfüllte sich unser Jugend-

stil in bester, faktisch künstlerischer Weise.
Gäbe e3 bei uns Häuser so gut wie die Bilder
von Gauguin I Nur einige wenige Bauten von
van de Velde könnten den Vergleich vielleicht
aushalten.

Eine eruptive Natur, der ein barbarischer
Wille zum stilvollen Ausdruck innewohnt, tritt
in den Werken Schmidt-Rotluffs deutlich zu
Tage. Auch er ist ein „Einziger", Inhaber „sei-
nes Eigentums" : Stil. In vielen Gemälden tritt
dieser Vorzug besonders offenkundig hervor,
oft jedoch lehnt er sich an exotische Barbarei,
beispielsweise Negerplastik, ganz offenkundig
an. Jedenfalls ist er heute eines der stärksten
Temperamente in der bildenden Kunst.
1 Auch Emil Nolde kann ausnehmend elemen-
tar sein. Vor seinen besten Bildern fühlt man
den Stilbeherrscher überaus stark. Großen
Überschuß an Kraft bekundet auch Nauen in
seinen Werken. Tappert gehört ebenfalls zu
den ganz robusten Naturen: er weiß viel Ge-
heimnisvolles über das Weib mit sicheren Pin-
selhieben festzustellen. Eine ins Dekorative
hinüberschweifende Persönlichkeit erweist sich
in den Schöpfungen Pechsteins. Sehr viele sei-
ner Arbeiten werden bestimmt bleiben. Die
zuletzt besprochenen Künstler sind erfreulicher-
weise alle Deutsche. Unter sich daher, trotz
 
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