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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Albiker, Karl: Die Probleme der Plastik und das Material des Bildhauers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0196

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Die Probleme der Plastik und das Material des Bildhauers.

wenn wir beiGriechen,
Ägyptern, Buschne-
gern und Gotikern An-
leiben zu machen su-
chen, so ist dies er-
klärlich, vielleicht auch
verzeihlich. Eine in-
nereUnwahrheit bleibt
es. Und mit einer in-
nerenUnwahrheitwer-
den wir nie die Kunst
erzwingen. Wir wer-
den nie im Stand sein,
ein Schema, das für
sich ein Volk mit Jahr-
hundert- oder jahrtau-
sendalter Kultur zur

Entmaterialisierung
seines Materials ge-
funden hat, noch ein-
mal für uns auszuwer-
ten, weil uns in tau-
send Hinsichten alle
Voraussetzungen für
die Erfüllung dieses
Schemas fehlen. Eben-
so wie die bildneri-
sche Absicht, die den
Stil der Ägypter, der
Griechen oder Gotiker
her vorbrachte,aus dem
Geist jener Zeiten her-
vorging, vom Bewußt-
sein , vom Wunsch,
von der Furcht jener
Zeiten getragen war,
so müssen auch wir
den Formwillen im in-
neren Leben unserer
Zeit suchen, wenn un-
ser Werk auch noch
spätere Geschlechter
überzeugen soll, wie
uns heut noch die Pha-
raonenbilder, die olym-
pischen Götter und
die steinernen Legen-
den überzeugen. Wir
können uns nicht zur
gleichen Lebensfreude
zwingen, aus der grie-

chische Bildkunst ent-
standen ist, wir brin-
gen nicht die Inbrunst
auf, die Kathedralen
wachsen ließ, und nie
werden wir aus unse-
ren überhasteten Stra-
ßen in unsere Werk-
statt die ewigen Da-
seinsformen der Ägyp-
ter retten können, in
denen das Atmen fast
die einzige Bewegung
bleibt und die Seele
in Träumen dahindäm-
mert. * Und doch
müßte auch die Bewe-
gung und die Bewegt-
heit unserer Zeit Form
werden können, wenn
wir den Willen und
die Kraft haben den
Schatz zu heben, den
Schutt über dem Werk
Rodins fortzuschau-
feln, unter dem seine
eigene Zeit den herr-
lichen Torso dieses
Einzigen begraben hat.
Und wir müssen die
Kraft haben das Fun-
dament unserer Kunst
wieder zu suchen, auf
das wir diesen Torso
als heiliges Vorbild
stellen wollen. — Dann
wollen wir unsere
Werkstatt säubern,
unser Werkzeug put-
zen und wieder schär-
fen und sorgsam unser
Material von Schlak-
ken und Rückständen
reinigen. — So wird
auch unsere Zeit wie-
der zu einem Form-
willen sich durchrin-
gen, aus dem sich eine
Tradition schaffen läßt,
die als Stil gewertet
werden kann. . , k. a.

KARL ALBIKER-ETTLINGEN. »FRAUEN-TORSO« BRONZE.
 
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