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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Paul, Bruno: Erziehung der Künstler an staatlichen Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0209

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Erziehung der Künstler an staatlichen Schulen.

FRITZ REICH BERLIN, i!GESCHLIFFENES KRISTALLGLAS«

und freie Graphik (Kunstakademie) und solche
für Innenarchitektur, angewandte Malerei und
Plastik, gewerbliche Graphik und verwandte Ge-
biete (Kunstgewerbeschule) ist das Zufallsergeb-
nis einer sprungweisen Entwicklung und kann
durch keine sachlichen Gründe gerechtfertigt
werden. Architektur und Innenarchitektur sind
ein unzertrennbares Ganzes, jede andere Aus-
legung wäre barer Unsinn. Die dekorative Ma-
lerei, das Musterzeichnen, die Bauplastik und die
gewerbliche Plastik empfangen ihre wertvollste
Befruchtung durch die Malerei, freie Plastik
und freie Graphik; sie können also auch nicht
ohne Schaden voneinander getrennt werden.

Die beste Form der Vorbildung, wie der
gesamten Ausbildung überhaupt, ist die in der
Werkstatt eines guten Meisters. In die-
ser begann und endete die Laufbahn des Künst-
lers wie des Handwerkers in allen Zeiten von
Beginn aller Kunst bis in die neuere Zeit. Im
Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich das
geändert. Die Lehrlingsausbildung ist auf Schul-
hilfe angewiesen. Insbesondere dort, wo der

Handwerksbetrieb dem Maschinengroßbetriebe
der Fabrik weichen mußte, bleibt die Lehrlings-
ausbildung in jeder Hinsicht unzureichend. Ne-
ben den Pflichtfortbildungsschulen sind deshalb
Handwerker-, Gewerbe- und Fachschulen in
großer Zahl entstanden, um den Mangel einer
gründlichen Meisterlehre auszugleichen. Im
Baugewerbe haben Baugewerkschulen die tech-
nische Ausbildung der Bautechniker und Bau-
führer übernommen. In diesen bestehenden
Gewerbe-, Handwerker-, Fach- und Baugewerk-
schulen ist die natürliche und unentbehrliche
Unterstufe der Einheitskunstschule gegeben. —
Viele dieser Schulen sind aber in ihrer heu-
tigen Verfassung ungeeignet, weil ihnen ein
streng sachliches und klares, auf das Hand-
werkliche gerichtetes Programm und dessen
nüchterne Durchführung mangelt.

Künstlerischer Dilettantismus an solchen
Schulen führt nur dazu, den handgeschickten
Werkstattarbeiter von seinen natürlichen Zielen
abzulenken, ohne daß der künstlerisch Begabte

FRITZ REICH—BERLIN. »GESCHLIFFENES KRISTALLGLAS«
 
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