Zum Thema Orlik.
sehen lustig stilisierten Blumen und Bäumen.
— Liebenswürdigkeit in der Kunst kann gefähr-
lich werden. Sie kann dazu verleiten, vor
lauter Freundlichkeit mit vertrauten Vorstel-
lungen des Publikums zu kokettieren. Auch
das hat man wohl im Kreise der Jungen, die
sich gern mit nie unterbrochener Feierlichkeit
umgeben, unserem Künstler vorgehalten. Aber
Orlik hat nie daran gedacht, nach Nebenwir-
kungen zu schielen, und er hat auch keine spie-
lerische Kleinarbeit aus seiner Werkstatt ent-
lassen, ohne ihr seinen persönlichen Stempel
mitzugeben. Er braucht der Welt nicht zu
schmeicheln, denn er ist selbst erfüllt von ihr.
Er lebt im Diesseitigen, Sinnlichen, Realen. Er
liebt die Buntheit und die Schönheit und den
sonderbaren Wechsel ringsum. Es ist kein Zu-
fall, daß er sich früher einmal in seinem Atelier
eine Abschrift des Goetheschen Verses aus
dem westöstlichen Divan angeheftet hat:
„Laßt mich nur in meinem Sattel gelten,
Bleibt in euren Hütten, euren Zeiten,
Und ich reite froh in alle Ferne,
Über meiner Mütze nur die Sterne."
Doch mit unermüdlichem Eifer war Orlik gerade
in den letzten Jahren an der Arbeit, den Aus-
druck seiner Weltspiegelungen zu vertiefen,
durch die Außenseiten und Oberflächen der
Ercheinungen in das Wesen ihrer malerischen
und linearen Grundformen vorzudringen, für
jedes Objekt und jeden Teil des Naturbildes,
dem er folgt, die farbige und zeichnerische Hie-
roglyphe zu finden, die aus einer Mischung
ihrer formalen Ureigenschaften und seiner per-
sönlichen Anschauung entsteht. Auf solchem
Wege, meint der noch nicht Fünfzigjährige, sei
er immer noch ein „Lernender". Wenn er im
nächsten Sommer diese Lebensziffer rundet,
so wird damit nicht ein Lebensabschnitt abge-
schlossen, sondern ein neuer eröffnet. —
£
Das Gegenwärtige bietet stets die leichte-
sten Erlebnismöglichkeiten. Die gegen-
wärtige Kunst stellt stets den höchsten Zustand
der Reizbarkeit und Empfänglichkeit des Auges
dar, der erreicht zu werden vermag. Ob die
Kunst einer Zeit auch minderwertig sei, die
besten Künstler dieser Zeit werden, darüber
kann kein Zweifel möglich sein, die dieser Zeit
gemäße, gesteigertste, sinnliche Aufnahme-
fähigkeit des Auges haben. Oder, anders aus-
gedrückt, sie werden der breiten Masse der
weniger Empfänglichen die Wege weisen, die
Art geradezu vorschreiben, in der in abseh-
barer Zeit alle Menschen dieses Zeitabschnittes
zu sehen gezwungen sein werden. Denn jede
Zeit wird nur von den Formen affiziert, die eben
aus wieviel verwickelten Gründen gerade die-
ser Zeit entsprechen. EUGEN LÜTHGEN. (die aufgaben
her kunst u. oes kl'n-tgfschiotl. hochschul-unterric hts 1919.)
PROFESSOR EMIL ORLIK-BERLIN. KARTON ZUM FRIES »REISE IM DIE ERDE«
sehen lustig stilisierten Blumen und Bäumen.
— Liebenswürdigkeit in der Kunst kann gefähr-
lich werden. Sie kann dazu verleiten, vor
lauter Freundlichkeit mit vertrauten Vorstel-
lungen des Publikums zu kokettieren. Auch
das hat man wohl im Kreise der Jungen, die
sich gern mit nie unterbrochener Feierlichkeit
umgeben, unserem Künstler vorgehalten. Aber
Orlik hat nie daran gedacht, nach Nebenwir-
kungen zu schielen, und er hat auch keine spie-
lerische Kleinarbeit aus seiner Werkstatt ent-
lassen, ohne ihr seinen persönlichen Stempel
mitzugeben. Er braucht der Welt nicht zu
schmeicheln, denn er ist selbst erfüllt von ihr.
Er lebt im Diesseitigen, Sinnlichen, Realen. Er
liebt die Buntheit und die Schönheit und den
sonderbaren Wechsel ringsum. Es ist kein Zu-
fall, daß er sich früher einmal in seinem Atelier
eine Abschrift des Goetheschen Verses aus
dem westöstlichen Divan angeheftet hat:
„Laßt mich nur in meinem Sattel gelten,
Bleibt in euren Hütten, euren Zeiten,
Und ich reite froh in alle Ferne,
Über meiner Mütze nur die Sterne."
Doch mit unermüdlichem Eifer war Orlik gerade
in den letzten Jahren an der Arbeit, den Aus-
druck seiner Weltspiegelungen zu vertiefen,
durch die Außenseiten und Oberflächen der
Ercheinungen in das Wesen ihrer malerischen
und linearen Grundformen vorzudringen, für
jedes Objekt und jeden Teil des Naturbildes,
dem er folgt, die farbige und zeichnerische Hie-
roglyphe zu finden, die aus einer Mischung
ihrer formalen Ureigenschaften und seiner per-
sönlichen Anschauung entsteht. Auf solchem
Wege, meint der noch nicht Fünfzigjährige, sei
er immer noch ein „Lernender". Wenn er im
nächsten Sommer diese Lebensziffer rundet,
so wird damit nicht ein Lebensabschnitt abge-
schlossen, sondern ein neuer eröffnet. —
£
Das Gegenwärtige bietet stets die leichte-
sten Erlebnismöglichkeiten. Die gegen-
wärtige Kunst stellt stets den höchsten Zustand
der Reizbarkeit und Empfänglichkeit des Auges
dar, der erreicht zu werden vermag. Ob die
Kunst einer Zeit auch minderwertig sei, die
besten Künstler dieser Zeit werden, darüber
kann kein Zweifel möglich sein, die dieser Zeit
gemäße, gesteigertste, sinnliche Aufnahme-
fähigkeit des Auges haben. Oder, anders aus-
gedrückt, sie werden der breiten Masse der
weniger Empfänglichen die Wege weisen, die
Art geradezu vorschreiben, in der in abseh-
barer Zeit alle Menschen dieses Zeitabschnittes
zu sehen gezwungen sein werden. Denn jede
Zeit wird nur von den Formen affiziert, die eben
aus wieviel verwickelten Gründen gerade die-
ser Zeit entsprechen. EUGEN LÜTHGEN. (die aufgaben
her kunst u. oes kl'n-tgfschiotl. hochschul-unterric hts 1919.)
PROFESSOR EMIL ORLIK-BERLIN. KARTON ZUM FRIES »REISE IM DIE ERDE«