Kunst- und Kultur Strömungen.
LUDWIG C.1F.S BERLIN. »KÜNSTLERFEST-PLAKETTE«
leben. Zu gleicher Zeit schleudern die Futuri-
sten, von einem krankhaften Umsturzdrang ge-
stoßen, ein Manifest in die Welt, mit der Auf-
forderung zur Zerztörung der Museen, Biblio-
theken und Kunstwerke vergangener Zeiten.
Man treibt nach dem Bruch mit der empirischen
Welt in den Wellen der reinen Abstraktion und
verliert den Boden unter den Füßen. Die so-
zialistische Wesensgleichheit aller Er-
scheinungen und die Verknüpfung des
Einzelnen mit dem Weltganzen wird
zur grauen Theorie. Neuschöpfung wird das
Schlagwort, das die Jüngsten fasziniert. Wohin
diese mit ihrer Befreiung vom Gegenständlichen
führt, zeigt mit erschreckender Deutlichkeit der
Kubismus. Man entmate-
rialisiert das Weltbild und
landet im geistigen Neuauf-
bau bei einer philosophi-
schen Geometrie, die zwi-
schen Himmel und Erde
schwebt. Der Gedanke des
sozialistischen Weltbürger-
tums hat sich in den Phan-
tasien egozentrischer Na-
turen verloren. Eine maß-
lose Selbstüberschätzung
geht Hand in Hand mit
diesem neuschöpferischen
Streben, die ihr Spiegelbild
in dem verstiegenen Selbst-
gefühl manchen Proleta-
riers erhält, der in dieser
Zeit den Maßstab der ge-
gebenen realen Verhält-
I.UDWIG OlES. »SILBER-PLAKETTI
nisse verloren hat und sich als ein Universal-
genie dünkt. Die Erdgebundenheit des Men-
schen tritt hinter einer Selbsttäuschung zurück.
Erfahrung und Kenntnisse opfert man der Idee,
die allein schon zum Können befähigen soll.
In dem völligen Übersehen der am Gött-
lichen gemessenen Unvollkommenheit
des Menschen liegt die Tragik des Strebens
dieser politischen und künstlerischen Ideologen.
Trotz aller nationalen Enttäuschungen und der
Entgleisungen unreifer, in ihren überspannten
Forderungen maßloser Führer und Massen
leben wir in einer Zeit, die von einem größeren
Abstand aus betrachtet, einst voraussichtlich
in dem Wert ihrer geistigen Strömungen höher
eingeschätzt wird, als die
Allgemeinheit heute hierzu
im Stande ist. Heute wird
die Erkenntnis der wirken-
den Kräfte noch verwirrt
durch die grotesken Gri-
massen unerwünschter Fol-
geerscheinungen, die sich
außerhalb der entwick-
lungsfähigen Idee hal-
ten, daß der Weg zur
Einheit mit dem Kos-
mos, mit dem Gött-
lichen, erst durch die
Materie führt. Ein Welt-
bürgertum in Politik und
Kunst allein auf die Grund-
sätze einer noch so erhabe-
nen , von der irdischen
Gebundenheit losgelösten
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LUDWIG C.1F.S BERLIN. »KÜNSTLERFEST-PLAKETTE«
leben. Zu gleicher Zeit schleudern die Futuri-
sten, von einem krankhaften Umsturzdrang ge-
stoßen, ein Manifest in die Welt, mit der Auf-
forderung zur Zerztörung der Museen, Biblio-
theken und Kunstwerke vergangener Zeiten.
Man treibt nach dem Bruch mit der empirischen
Welt in den Wellen der reinen Abstraktion und
verliert den Boden unter den Füßen. Die so-
zialistische Wesensgleichheit aller Er-
scheinungen und die Verknüpfung des
Einzelnen mit dem Weltganzen wird
zur grauen Theorie. Neuschöpfung wird das
Schlagwort, das die Jüngsten fasziniert. Wohin
diese mit ihrer Befreiung vom Gegenständlichen
führt, zeigt mit erschreckender Deutlichkeit der
Kubismus. Man entmate-
rialisiert das Weltbild und
landet im geistigen Neuauf-
bau bei einer philosophi-
schen Geometrie, die zwi-
schen Himmel und Erde
schwebt. Der Gedanke des
sozialistischen Weltbürger-
tums hat sich in den Phan-
tasien egozentrischer Na-
turen verloren. Eine maß-
lose Selbstüberschätzung
geht Hand in Hand mit
diesem neuschöpferischen
Streben, die ihr Spiegelbild
in dem verstiegenen Selbst-
gefühl manchen Proleta-
riers erhält, der in dieser
Zeit den Maßstab der ge-
gebenen realen Verhält-
I.UDWIG OlES. »SILBER-PLAKETTI
nisse verloren hat und sich als ein Universal-
genie dünkt. Die Erdgebundenheit des Men-
schen tritt hinter einer Selbsttäuschung zurück.
Erfahrung und Kenntnisse opfert man der Idee,
die allein schon zum Können befähigen soll.
In dem völligen Übersehen der am Gött-
lichen gemessenen Unvollkommenheit
des Menschen liegt die Tragik des Strebens
dieser politischen und künstlerischen Ideologen.
Trotz aller nationalen Enttäuschungen und der
Entgleisungen unreifer, in ihren überspannten
Forderungen maßloser Führer und Massen
leben wir in einer Zeit, die von einem größeren
Abstand aus betrachtet, einst voraussichtlich
in dem Wert ihrer geistigen Strömungen höher
eingeschätzt wird, als die
Allgemeinheit heute hierzu
im Stande ist. Heute wird
die Erkenntnis der wirken-
den Kräfte noch verwirrt
durch die grotesken Gri-
massen unerwünschter Fol-
geerscheinungen, die sich
außerhalb der entwick-
lungsfähigen Idee hal-
ten, daß der Weg zur
Einheit mit dem Kos-
mos, mit dem Gött-
lichen, erst durch die
Materie führt. Ein Welt-
bürgertum in Politik und
Kunst allein auf die Grund-
sätze einer noch so erhabe-
nen , von der irdischen
Gebundenheit losgelösten
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