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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Heilig, Wilhelm: Friedhofsanlage und das Grabzeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0257

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FRIEDHOFSANLAGE UND DAS GRABZEICHEN.

Das Aussehen der meisten unserer neuen
Friedhöfe ist so wenig erfreulich, daß es
sich lohnt, den Gründen nachzugehen, warum
sie so viel trostloser sind wie die, die uns aus
früheren Jahrhunderten erhalten blieben. Der
Hauptgrund liegt in der verunglückten Anord-
nung der Grabfelder, insbesondere der Erb-
und Kaufbegräbnisse. Meistens liegen diese an
den Hauptwegen, bilden dort eine mehr oder
minder protzige Allee aus Steingebilden, die
in künstlerischer Beziehung wenig ansprechen.
Die Besitzer überbieten sich in Überhäufungen
von Motiven unter falscher Anwendung der
edelsten Materialien, die zum größten Teil in
unserer Gegend überhaupt nicht bodenständig
sind. Hinter dieser ersten Reihe von Kauf- und
Erbbegräbnissen kommt womöglich noch eine
zweite Klasse derartiger Grabstellen und dann
erst das eigentliche Feld der Einzelgräber, ver-
deckt und möglichst dem Auge des Beschauers
entzogen, als ob es gar keine Berechtigung hätte.
— Im Gefühl aller dieser Unzulänglichkeiten

wird meist das Friedhofsbild dadurch zu heben
versucht, daß man den Besucher über den
eigentlichen Charakter des Friedhofs hinweg-
täuscht und besonders an den Eingängen große
Rasenflächen, Baum- und Strauchpflanzungen
anlegt, ja es wird sogar so weit gegangen, mit
Wasserkünsten zu arbeiten, um dem Beschauer
den Eindruck des Friedhofs erträglicher zu
machen. Diese Mittel sind falsch und unnatür-
lich, weil sie nichts mit der Zweckbestimmung
eines Friedhofes zu tun haben. Nur die großen
Flächen der Reihengrabfelder sind es doch, die
dem „Friedhof" seinen Charakter geben müssen.
Besagt das Wort „Friedhof" nicht allein schon
genug, fordert es nicht die Vorstellung von einer
Raumwirkung, den Begriff einer Zusammenge-
hörigkeit der in diesem Räume Ruhenden?

Der erste Schritt zur HebuDg der Friedhofs-
kultur war die Erkenntnis der Tatsache, daß
die Grabmalskunst der letzten Jahrzehnte des
vergangenen Jahrhunderts nicht nur keineKunst,
sondern ein Übel sei. Das Grabfeld, die Toten-

XXIII. Januir 1920. 6
 
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