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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Lützel, Otto: Zu den Werken von Willy Jaeckel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0275

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ZU DEN WERKEN VON WILLY JAECKEL.

Willy Jaeckel ist nicht leicht einzureihen.
Das könnte belanglos scheinen. Denn
schließlich ist es das Werk, das zur Begutach-
tung steht, nicht des Künstlers historische Stel-
lung. Trotzdem sucht der Intellekt triebhaft
nach Klarheit über geistige Herkunft und Ver-
wandtschaft des Werkes — Dinge, die für die
Urteilsbildung weit erheblicher sind als ge-
meinhin angenommen wird.

Jaeckel kommt her von idealistischer Form-
steigeruog, wie sie aus den ersten Anfängen
der Kunstrevolution von 1910 erwuchs: der
Mensch als Objekt, herausgehoben aus impres-
sionistischer Naturverschlungenheit, der Mensch
als Subjekt, mündig und geistig geworden nach
langer Gebundenheit an die Deutung der sinn-
lichen Wirklichkeit. Nicht eigentlicher Expres-
sionismus. Denn dieser hat im Laufe seiner
Entwicklung immer deutlicher als wesentlichen
Zug die Zerfallenheit mit der äußeren Natur
angenommen, auf der Suche nach dem Bewegen-
den in der Tiefe und nach Ausdruck des Geistig-
Subjektiven. Jaeckel blieb auf einer ruhigeren,
gebundeneren Linie. Er brachte ein sehr be-

XXIII. Februar 1920. 1

deutendes Können mit, das ganz in der Aus-
einandersetzung mit der äußeren Natur gereift
war. Er lernte es in einem durchaus idealisti-
schen Sinne verwerten und stellte eine kraftsatte
Welt gesteigerter Gestalten aus sich heraus,
in der sein muskulöses Lebensgefühl kenntlich
umschrieben zum Ausdruck kommt. Aber dieses
Können ward ihm auch zu einer Belastung und
band ihn schließlich fast ebenso sehr als es ihn
hielt und formte. Unverkennbar geht sein
Streben auf Lockerung dieser Gebundenheit.
Seine Bilder werden etwa von 1917 ab trans-
parenter. Es kommt Licht von innen, das
Formale aufzulösen, die Erdschwere der harten
Verkörperung, Sendlings „Pein der Form", zu
durchdringen. Aber der Widerstand ist stark
bei ihm. Das „Liebespaar" von 1919 hat lange
nicht mehr die derbe Stofflichkeit der früheren
Arbeiten. Aber es läßt sich nicht eigentlich
sagen, daß Jaeckel in dem, was nach diesem
Werke kam, den neuen Weg rüstig weiter-
gegangen wäre. Der Wille ist da. Aber es ist
die Frage, ob nicht diese Belastung mit Form
tief verbunden ist mit einer Lebensschwere im
 
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