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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Coester, R.: Lotte Pritzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0363

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Lotte Pritzel-München.

»KOPF UND
HAND DER
NEBENSTEH.
PUPPE«

an die absonderlichsten Stilformen, entlegener
Erdteile und versunkener Kulturen.

Aber nicht nur durch ihre äußere Erschei-
nung. Freilich, wie bei den kleinen Chinesen
der ganze grausige Pomp Chinas auf eine gra-
ziöse Arabeske gebracht ist, sodaß das schwere
Verpflichtetsein des Europäers gegen diese hohe,
ferne Kunst weggenommen scheint und nur
bleibt, was ein liebenswürdig phantastisches
Mädchenhirn einem darüber mitteilt, daskönnte
an sich erfreuen; es steckt aber darin außer-
dem der tief innere Glaube an die Sache und
darum ist das wahr, was gesagt wird und ist
nicht nur dem Auge erfreuend, sondern auch
künstlerisch beglückend.

Die schwere gotische Erinnerung liegt wie
ein versunkenes Gewitter hinter der kleinen
Madonnenfigur, die wohl mehr ein Graself ist,
darin aber von einer so großen Gläubigkeit und
einem Ernst, daß sie dem Beschauer wahr-
scheinlich wird, wie nur je ein Mörike'scher Elf

es wurde. Die meerblauen Augen dieses Bildes
sind unbegrenzt schön, das Kindchen erfüllt
von der ganzen Liebe des sehr wundersamen
Menschen Lotte Pritzel. Die unzähligen Ver-
spieltheiten dieser Schöpfungen zusammenfas-
sen, ergäbe ein Bündel blumenvollster Einfälle
und Erlebnisse, ohne jede Banalität, Nieder-
tracht oder Lüsternheit. Die Leute, die das darin
sehen, sehen wohl eher sich selbst, nicht aber
den Künstler, noch weniger die Absicht.

Wie schon gesagt wurde, diese Kunst läßt
sich nicht einordnen und wollte man es dennoch
tun, so findet man Verbundenheiten ehestens
mit frühen Italienern, auch mit den Präraffae-
liten Englands. Immer ist aber diese Verbun-
denheit fast nur menschlicher Art; denn wo
jene sich mit rauhen Wirklichkeiten plagen,
bleibt Lotte Pritzel's Kunst das paradiesische
Spiel, geboren aus rosenroter Liebe zum Leben,
bleibt ein Liebkosen ein unendlich gütiges
Lächeln über Allem........... r.coester.

XXIII. März 1920. 4
 
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