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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 45.1919-1920

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Ritter, Heinrich: Die Kunst und ihr Publikum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9121#0376

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Die Kunst und ihr Publikum.

das Neue kritisch werden, wenn sie strenge
Auslese halten und auf alle Weise zur Beson-
nenheit mahnen, so liegt darin eben auch das
Anerkenntnis, daß in vielen Fällen Mode, Ori-
ginalitätssucht, der Wunsch, im Trüben zu
iischen, der neuen Bewegung Anhänger zuge-
führt haben. Der Laie empfindet also etwas
Richtiges, wenn er sagt: Da liegt gar kein
Müssen vor, da ist Bluff und Spiegelfechterei,
Leichtfertigkeit und Anmaßung.

Ins Unrecht aber setzt sich dieses Urteil fast
immer durch eine maßlose Verallgemeinerung.
Der Laie sündigt schwer, wenn er sich durch
Mitläufertum den Blick für die Bedeutung der
echten Träger der Bewegung trüben läßt. Über-
all, wo Bewegung unter Menschen ist, gibt es
Mitläufertum. Es sagt über Wert oder Unwert
eines Programms nicht das Mindeste aus, wenn
es in gewissem Sinn zur Modesache wird. Die
höchsten, heiligsten Dinge können in die Mode
kommen und unwertige Mitläufer an sich ziehen.
Mode ist Kant und Goethe gewesen wie
Büchner und Sudermann.
Mode kann Frivolität
sein und Frömmigkeit,
Festhalten am Alten und
zorniger Umsturz. — Das
Mode-Werden, das heißt:
die verlockende, äußer-
lich wirkende Anzieh-
ungskraft neuer geistiger
oder sinnlicher Dinge, ist
vielleicht sogar ein Mit-
tel, dessen sich die Ent-
wicklung bedient, um
wichtigen Prozessen eine
breitere Angriffsfront,
eine erhöhte Stoßkraft
zu geben. Ich möchte
nicht so weit gehen, alle
Künstler zu verurteilen,
die sich einer neuen Be-
wegung anschließen, weil
sie „Mode" wird. Viel-
leicht leisten auch sie der
Sache gewisse unterge-
ordnete Dienste. Viel-
leicht tragen sie dazu bei,
die Auseinandersetzung
des Publikums mit der
Sache zu beschleunigen,
den Wert der wirklichen
Schöpfer im Neuen klarer
hervorzuheben. — Zwi-
schen all diesen Klippen
muß sich das Urteil des
Laien seinen Weg suchen.

Und der Künstler muß, je echter seine Berufung
ist, um so ehrlicher anerkennen, daß der Laie
durch künstlerische Umwälzungen in ernste
geistige Schwierigkeiten gestürzt wird, in denen
ihm Schwanken, Zögern, Ablehnung nicht ohne
Weiteres als schwere Sünden wider den Geist
anzurechnen sind. Sie können im Gegenteil
sehr löbliche Gründe haben: tiefe Auffassung
von wahrer Kunstfreude, edle Begriffe vom Zu-
sammenhang zwischen Kunst und Volk, Scham,
sich äußerlich zu einer Sache zu bekennen, die
man noch nicht im innersten Herzen gespürt
und erlebt hat.

Dies also sind die Dinge, die über die Gei-
steslage des Laien gegenüber neuer Kunst zu
sagen waren. Es sind gewissermaßen Ent-
lastungen in seinem Widerstand gegen künst-
lerische Umwälzung. Bei späterer Gelegenheit
wird zu sagen, besser: zusammenzustellen sein,
was von der Seite des Künstlers zu der Frage
„Kunst und Publikum" zu bemerken ist; eine
Frage, die seit zehn Jahren brennend ist und
heute noch nichts von
ihrer Aktualität verloren

hat.

HEINRICH RITTER.

LOTTE PRITZEL VITRINEN-PUPPE »HAMLET«

Die Kunst ist halt doch
eine eigene Sache;
am Ende ist sie gar kein
Prinzip, keine Theorie,
sondern eine Lebens-
äußerung, die an Persön-
lichkeiten gebunden ist
und nur durch Persön-
lichkeit am Leben erhal-
ten werden kann. — Alle
Kunst geht aus der Ein-
heit der Seele hervor,
und so wird sie dort, wo
sie Eingang findet, auch
wieder zur Einheit der
Seele sprechen. — So
sind unsere Betrachtun-
gen über Kunst, kein du
sollst, du mußt, das darfst
du und das darfst du
nicht, sondern ein: du
bist! in dir manifestiert
sich der Geist des Le-
bens. — Die Harmonie,
die Schönheit liegt nicht
in der Welt da draußen,
sie ist nur eine Fähig-
keit der Seele, das zu
empfinden, was die Sin-
ne ihr zuführen.......

HANS THOMA—KARLSRUHE.
 
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