Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 49.1921-1922

DOI Artikel:
Benninghoff, Ludwig: Josua Leander Gampp
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9142#0201

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
JOSUA LEANDER GAMPP.

ZU EINEM SCHI.UMMER-I.IEDCHKN
VON CHRISTIAN MORGENSTERN.

JOSUA LEANDER GAMPP.

VON DR. LUDWIG BENNINGHOFF.

Ein großer junger Mensch mit dunklen Augen
wie sie nur ewige Kinder und richtige
Künstler haben und einem Lachen, in dem reine
Herzensgüte liegt, das ist Josua Leander Gampp.

Über seinem ganzen Wesen ist etwas von
dem Erbe, was einem bei dem Klang seiner
wunderschönen Namen anweht. Die tiefe, stille
Frömmigkeit alter deutscherKantor- und Pf arrer-
geschlechter in versonnenen Schwarzwalddörf-
chen, in denen der goldene Abendhimmel glüht
durch die Andacht schweigender Tannenwipfel,
in denen die selbstlose Liebe daheim ist, und
Blumen und Menschen, die dunkle Erde und
die Sterne am Himmel eine leise Gottesfeier
halten. Die Seele von Jahrhunderten offenbart
sich immer wieder in einem reinen Erblühen.
Sie gibt sich ganz hin in einfältigen Linien.
Sie ist bei den stillen Meistern, die in karger
Zelle gewürdigt sind, die Offenbarung zu schauen,
die ihre Seele abschildern mit schütteren Stri-
chen, wie sie dasteht als eine Frau in weißem
Kleid mit zarten Füßen auf grüner Aue, und sie
fügen das Azurblau der himmlischen Ferne dazu
und Gold der Herrlichkeit Gottes.........

So ist Gampps Kunst, die herzliche, quellend
reiche Offenbarung unmittelbarer, inbrünstig
liebender Seele. Sie hat das tiefe Geheimnis
nur von ihrem eigenen Gesetz bestimmt zu
werden. Sie ist nicht Nachahmung der Außen-
dinge, sondern Beseelung der Natur, nimmt
ihre Symbole gleichsam aus ihr, die Mittel, sich
mitzuteilen. Sie ist so unwirklich, wie die Linie
selbst, die nicht bildet, sondern andeutet, wo
Sein und Nichtsein sich scheiden. Daher kann
sich bei Gampp Reales und Irreales so durch-
dringen, daher sprechen in seinen Zeichnungen
zu Liedern neben den Gestalten, die wie Töne
sind, die Töne selbst als Linien mit: die Sonne
der Mutterliebe umschwingt die Wiege des
Kindes und weht durch den hellen Raum. Wie
die Striche Gampps sind seine Farben: kein
Abmalen der Wirklichkeit, sondern ein Klingen
und Zusammenstimmen nach eigenen Gesetzen,
Anklang an Natur, aber nicht nach ihrem äußeren
Schein, sondern nach ihrem Spiegel in der
Seele: eine eigene Harmonie ist darin, die wir
im einzelnen nicht fassen, sondern nur in ihrer
Wirkung fühlen, dieselbe höhere Wahrheit, die

XXV. Dezember 1921. 7*
 
Annotationen